Quelle: «ZüriNews» / Spitäler in Finanznöten: Kanton unterstützt nur Kinderspital / Beitrag vom April 2024
Der Kanton Zürich muss das Zürcher Kispi mit einer Spritze von 100 Millionen Franken retten. Das Kinderspital hat gemäss Regierungsrat einen akuten Liquiditätsengpass, wie am Donnerstag bekannt wurde. Würde der Kanton nicht in die Bresche springen, wäre die Zahlungsfähigkeit ab Mitte Jahr nicht mehr sichergestellt. Auch den bekannten Herzchirurgen Thierry Carrel und ehemaligen Spitzenarzt der Herzchirurgie des Zürcher Unispitals beschäftigt die finanzielle Schieflage des Kinderspitals.
Seiner Meinung nach steht es ausser Frage, dass das Kispi einen Neubau braucht, um den künftigen Anforderungen gewachsen zu sein, sagt Carrel zur «SonntagsZeitung». Er wisse um die engen Platzverhältnisse und die veraltete Infrastruktur. Er kritisiert: «Doch den Auftrag für den Neubau an zwei Stararchitekten zu vergeben, die damit ein Denkmal setzen, war ein unverantwortlicher Entscheid der Leitungsgremien.»
Fassade sei völlig sekundär
Der Neubau wurde von den Basler Architekten Herzog & de Meuron entworfen. Die Kosten dafür stiegen von ursprünglich 600 Millionen Franken auf 761 Millionen Franken. Laut Carrel ist die Fassade eines Spitals für das Personal wie auch die Patienten völlig sekundär. Mit den zunehmenden ambulanten Behandlungen würden die Patienten ohnehin viel weniger Zeit im Spital verbringen.
Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.
Für viel wichtiger hält der Spitzenchirurg die medizinische und pflegerische Leistung. Diese könne man auch mit viel weniger Luxus rundherum erbringen, sagt Carrel. Dies erlebe er tagtäglich in Regionen, denen es wirtschaftlich deutlich schlechter gehe als der Schweiz. Carrel ist vor allem humanitär im Einsatz und operiert regelmässig in Usbekistan.
Kritik an Systemrelevanz
Das Spital Wetzikon geht hingegen leer aus. Das Spital Wetzikon gelte nicht als «unverzichtbar», kam der Regierungsrat zum Schluss. Thierry Carrel stört laut der Zeitung, dass die Kantone die Rettungspakete nach dem Prinzip der Systemrelevanz verteilen. Etwa sein Hausarzt im Berner Oberland betreute mit seiner Praxis eine ganze Talschaft. In diesem Sinne sei diese auch systemrelevant. Er stellt jedoch infrage, ob diese gerettet würde. Im Gegensatz zu den Spitälern habe dieser Hausarzt immer nur so viel investiert, wie er habe verantworten können. Laut Carrel würde er deshalb gar nicht in diese missliche Lage kommen.
Carrel kritisiert, dass die Kantone den Blick auf das Ganze verloren hätten. Jeder Kanton, sogar jede Region schaue häufig nur für sich. «Wenn es so weitergeht, haben wir für 10 Millionen Menschen bald 10 Unispitäler.» Das könne nicht sein.
«Retten künftig Spitäler wie Banken»
Auch Philip Sommer, Leiter Gesundheitswesen bei PWC Schweiz, ist der Meinung, dass die Schweiz zu viele Spitäler hat. Aktuell gibt es über 100 Standorte. Laut einer Studie von PWC aus dem Jahr 2018 kann die Schweiz ab rund 50 Spitälern eine gute Grundversorgung sicherstellen. Sommer: «Vielleicht sind es künftig 60 oder auch 80 Spitäler, aber es braucht nicht über 100.»
Sommer rechnet damit, dass in den Jahresabschlüssen für 2023 nur noch eine Handvoll Spitäler die 10 Prozent erreichen wird. «Machen wir so weiter, dann retten wir künftig Spitäler, so wie wir heute Bail-outs für Banken machen.» Er warnt vor einem «Spitalsterben» ohne Geld der Steuerzahlenden.
(bza)