Scheidungskinder

«Ich bin Dirigentin der Konflikte bei einer Scheidung»

· Online seit 11.02.2022, 07:41 Uhr
Eine Trennung stellt das Familienleben auf den Kopf. Oft geraten Kinder dabei ungewollt ins Kreuzfeuer der beiden Elternteilen. Die Fachstelle für Lebensfragen in Luzern unterstützt in dieser Situation. Denn eines bleiben Eltern trotz der Trennung: Mama und Papa.
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Verstehen sich Mama und Papa nicht mehr, löst das in der beteiligten Familie verschiedene Gefühle aus. Allen voran Angst, wie Paola Ganyi im Gespräch erzählt. Sie leitet die Fachstelle für Lebensfragen elbe in Luzern. Neben Einzel- und Paarberatungen bietet die Fachstelle das Elternprogramm «Kinder im Blick» an.

Eltern im Scheidungsprozess tauschen sich in den Kursen mit anderen Betroffenen aus und Fachpersonen geben Inputs für den Alltag. Die Kinder sind nicht dabei. Es gibt zwei Gruppen, so besuchen die Elternteile die Kurse an unterschiedlichen Abenden. Bei «Kinder im Blick» gehe es nicht darum, Konflikte auszutragen, meint Ganyi. Diese können individuell in Beratungen aufgearbeitet werden.

Emotionen ernst nehmen

An den Kursen lernen die Eltern, die Emotionen der Kinder ernst zu nehmen: «Kinder verbergen ihre Trauer, sobald sie merken, dass ihre Eltern mit der Trauer nicht umgehen können.» Kinder wollen verstehen, was vor sich geht. Es ist für sie aber oft nicht greifbar, wenn Mama und Papa sich trennen, meint Ganyi: «Sie sehen, dass sich ihr bewährtes Umfeld verändert. Das löst Unsicherheiten und Ängste aus.»

Aus dem «Wir» der Familie werde bei der Scheidung ein «Ich» und «Du», so Paola Ganyi. Kinder erleben diesen Prozess mehr oder weniger bewusst mit. Es sei wichtig, mit den Kindern konkret zu kommunizieren: «Die Kinder können sichtbare Änderungen wie Wohnungswechsel besser greifen. Ihnen die ganzen Hintergründe der Scheidung zu erklären, bringt wenig.»

Intime Einblicke in Beziehungen

Paola Ganyi arbeitet bereits jahrelang auf dem Gebiet. Eine dankbare Aufgabe, wie sie sagt: «Ich mache es mit Leidenschaft. Die Gespräche hier sind intim. Die Menschen öffnen ihre Welt, wenn sie mir vertrauen.» Es sei bei Mediationen ein Vermitteln zwischen verhärteten Fronten: «Es gibt Eltern, die sich nicht mehr in die Augen schauen und im Gespräch nur über mich kommunizieren.»

Am Schluss sei sie jedoch nur eine Begleitung: «Ich bin Dirigentin der Konflikte in einer Scheidung. Die Menschen müssen selbst etwas verändern.» Es sei schön, die erfolgreiche Entwicklung vom Paar zum Elternteam zu sehen: «Ich finde es immer berührend, dass am Schluss das Wohl der Kinder im Zentrum steht.»

veröffentlicht: 11. Februar 2022 07:41
aktualisiert: 11. Februar 2022 07:41
Quelle: PilatusToday

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