«Familie Eichwäldli» freigesprochen

Kein Hausfriedensbruch: Stadt Luzern verliert vor Gericht

10.11.2022, 05:42 Uhr
· Online seit 10.11.2022, 05:30 Uhr
Es war ein langes Hin und Her zwischen der «Familie Eichwäldli» und der Stadt Luzern um die ehemalige Soldatenstube am Murmattweg. Jetzt steht fest: Die Bewohnerinnen und Bewohner haben keinen Hausfriedensbruch begangen. Das Bezirksgericht sprach acht Personen frei, die im Mai 2021 im Zuge einer Razzia festgenommen wurden.
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Der Razzia im Jahr 2021 war ein längerer Streit zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern der Liegenschaft am Murmattweg und der Stadt Luzern vorausgegangen. Die Gruppe, die sich «Familie Eichwäldli» nannte, hatte mit der Stadt als Eigentümerin einen Gebrauchsleihevertrag abgeschlossen, um im baufälligen Gebäude bei der Luzerner Allmend zu wohnen.

Der Vertrag lief im September 2020 aus, wurde aber bis Mitte Februar 2021 verlängert. Anfang März forderte die Stadt dann aus Sicherheitsgründen den Auszug. Die «Familie Eichwäldli» weigerte sich, das Grundstück zu verlassen, worauf die Stadt Strafanzeige einreichte. Die Staatsanwaltschaft leitete eine Untersuchung wegen Verdachts auf Hausfriedensbruch ein. Sie beauftragte die Polizei, die Liegenschaft zu durchsuchen und die Personen vor Ort zu identifizieren und zum Tatvorwurf zu befragen. Die «Familie Eichwäldli» war schliesslich Ende Juni 2021 aus der 1935 erbauten Liegenschaft ausgezogen.

So wurde Anfang 2021 gegen den Auszug demonstriert

Quelle: Pilatus Today

«Behördlicher Übereifer» – Vorwürfe an Stadt Luzern

Hausfriedensbruch war es keiner, hält jetzt das Luzerner Bezirksgericht fest. Die «Familie Eichwäldli» zeigt sich erleichtert. Der Freispruch wirke ermutigend, heisst es in einer am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung des Kollektivs. Von Gerechtigkeit sei man aber noch weit entfernt. Dafür brauche es mehr als die Einschätzung eines Gerichts. Gegenüber der Stadt Luzern werden jetzt auch schwere Vorwürfe erhoben.

Wiederholt wird in der Medienmitteilung der «Familie Eichwäldli» von einer «Kriminalisierung politischer Aktivitäten» gesprochen. So habe die Stadt in der Öffentlichkeit stets betont, die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner und somit den Abriss des Gebäudes in den Mittelpunkt zu stellen, doch ihr Handeln zeige andere Motive aus.

Statt auf die politischen und aktivistischen Anliegen der Hausbewohnerinnen und -Bewohner einzugehen, sei die Luzerner Stadtregierung lieber bereit, die Kosten der «repressiven Massnahmen» im fünfstelligen Bereich durch die Staatskasse ausgeben zu lassen.

Tele-1-Beitrag über den Abriss der Soldatenstube

Quelle: Tele 1

Staat trägt die Kosten

Die Polizei nahm damals zehn Personen fest. Zwei von ihnen wurden per Strafbefehl verurteilt. Die anderen acht, die den Strafbefehl nicht akzeptierten, sprach das Gericht nun frei vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs zwischen November 2019 und Mai 2021. Die gesamten Verfahrenskosten gehen zu Lasten des Staates.

Für die Polizeihaft spricht das Gericht sämtlichen Beschuldigten eine Genugtuung von 200 Franken zu. Dazu kommen Anwaltskostenentschädigungen von rund 6000 Franken, Gerichtskosten von 4000 Franken und Aufwände für Vorverfahren von 6490 Franken.

Gegen das Urteil kann innert zehn Tagen Berufung eingelegt werden.

(red./sda)

veröffentlicht: 10. November 2022 05:30
aktualisiert: 10. November 2022 05:42
Quelle: PilatusToday

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