Cupfinal

Oberster Schiedsrichter: «Ein Penalty wäre der richtige Entscheid gewesen»

25.05.2021, 19:32 Uhr
· Online seit 25.05.2021, 16:40 Uhr
Beim Cupfinal zwischen Luzern und St. Gallen sorgte eine Szene kurz vor Schluss für Diskussionen: Lukas Görtler wurde von Marius Müller mit den Fäusten am Kopf getroffen – dieses harte Einsteigen blieb unbestraft. Ein Fehler, gibt der oberste Schweizer Schiedsrichter, Dani Wermelinger, nun zu.

Quelle: FM1Today/Youtube/SRFSport

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«Wenn ein Torhüter einen Stürmer ohne jegliche Intervention einfach mal so k.o. boxen darf (...), dann ist letztlich das Ganze sowieso ein sinnloses Spektakel. Keine Ahnung, welches Video der VAR schaute.» So lautet ein Kommentar auf Twitter zum harten Einsteigen von FCL-Goalie Marius Müller kurz vor Spielende des Cupfinals am Pfingstmontag.

Obwohl sich viele Userinnen und User auf Social Media einig sind, dass Luzern verdient gewonnen hat, hadern sie mit Lionel Tschudis Entscheid kurz vor Schluss der Partie.

Keine Konsequenzen

In der beschriebenen Szene trifft Marius Müller beim Abwehren eines Balles in der 89. Spielminute Lukas Görtler mit den Händen am Kopf. Der St. Galler bleibt sofort liegen und muss gepflegt werden. Für Müllers «Wegboxen» wird ein Penalty seitens der FCSG-Spieler gefordert, die Aktion des Luzerner Torhüters hat aber keine Auswirkungen auf das Spiel. Weder Schiedsrichter Tschudi noch Videoschiedsrichter (VAR) Alain Bieri werten Müllers Einsatz als penaltywürdig.

FC St. Gallen kassierte in zwei vergleichbaren Szenen einen Penalty

Diese Entscheidung verärgert FCSG-Fans auch, weil die Espen in der Vergangenheit in vergleichbare Szenen schon Penaltyentscheide einstecken mussten. Ein Beispiel liegt rund zwei Monate zurück. Beim Meisterschaftsspiel gegen den FC Zürich am 3. April trifft Lawrence Ati Zigi kurz vor der Pause FCZ-Stürmer Assan Ceesay mit den Fäusten am Kopf. Ceesay bleibt liegen. Schiedsrichter Alessandro Dudic zeigt sofort auf den Punkt. Penalty. Benjamin Kololli versenkt.

Eine weitere ähnliche Szene gab es im Juli vor zwei Jahren im Meisterschaftsspiel zwischen St. Gallen und Luzern. Auch bei diesem Spiel war Lionel Tschudi als Schiedsrichter im Einsatz. Im St. Galler Tor stand zu diesem Zeitpunkt noch Dejan Stojanović. Bei einem Angriff der Luzerner wird Lucas Alves angespielt, Stojanović will den Ball abwehren und trifft Alves dabei am Kopf. Tschudi entscheidet sich zuerst gegen einen Penalty, schaut sich die Aktion aber nach Intervention des VAR noch einmal an und entscheidet dann doch auf Elfmeter.

«Diese Beurteilung ist im Nachhinein falsch»

«Jedes Spiel wird vom Verband aufgearbeitet», heisst es auf Anfrage beim Schweizerischen Fussballverband SFV. So seien auch die Szenen im Cupfinal vom Pfingstmontag analysiert worden. Und dabei gesteht der oberste Schweizer Schiedsrichter, Dani Wermelinger, Fehler der Schiedsrichter ein: «Nicht korrekt waren wir in der Aktion zwischen Müller und Görtler. Dort wäre ein Penalty der richtige Entscheid gewesen», schreibt Wermelinger auf Anfrage der Redaktion.

Für den Schiedsrichter sei die Aktion aufgrund seines Standortes sehr schwierig zu beurteilen gewesen, heisst es weiter. Volketswil sei bis jetzt bei solchen Eingriffen sehr zurückhaltend gewesen, wenn ein Spieler in einer solchen Aktion noch zum Abschluss kommt oder den Ball noch spielen kann. Görtler habe den Ball noch gespielt und ihn ungehindert Richtung Tor bringen können, schreibt Wermelinger weiter. Daher habe der VAR beschlossen, dass es sich nicht um einen klaren und offensichtlichen Fehlentscheid des Schiedsrichters handelte. «Diese Beurteilung ist im Nachhinein leider falsch und wird uns dazu zwingen, die Zurückhaltung in solchen Situationen zu überdenken.»

Offside war kein offensichtlicher Fehler

Diese Einsicht des obersten Schiedsrichters macht die St. Galler Niederlage nicht rückgängig. Aber immerhin in Bezug auf das vermeintliche Offside von Pascal Schürpf bei seinem Treffer zum 3:1 für Luzern hätte der Spitzenschiedsrichter nicht anders entschieden: «In dieser Aktion kann man nicht von einem klaren und offensichtlichen Fehler sprechen. Die Aktion könnte nur mit den kalibrierten Linien zu 100 Prozent aufgelöst werden.»

Dani Wermelinger äussert sich auch noch zu einer Szene in der 53. Minute, in der FCSG-Stürmer Eli Youan vor dem Tor von Gegenspieler Frydek am Trikot festgehalten wurde. Tschudis Pfeife blieb stumm und auch der VAR meldete sich nicht. «Bei der Aktion kam es zu einem leichten Zupfer», sagt Wermelinger. Diese Aktion habe aber ausserhalb des Strafraums stattgefunden, der VAR konnte deshalb gemäss Vorgaben nicht einschreiten. «Ein fälliger Freistoss hätte vom Schiedsrichter-Team erkannt und entschieden werden müssen», schreibt Wermelinger.

FCSG-Präsident Hüppi: «Das war wie im Boxring»

Der FC St. Gallen äussert sich direkt nach der Partie zurückhaltend zu den Entscheiden des Schiedsrichters: «Ich habe die Szene noch nicht angeschaut», sagt Trainer Peter Zeidler. Für Präsident Matthias Hüppi sah die Szene aus wie in einem Boxring: «Für mich war es ein klarer Treffer. Wir müssen aber nicht nach Entschuldigungen suchen.»

Lukas Görtler konnte Müllers Einsatz nach dem Spiel noch klar spüren: «Ich habe Schmerzen, aber das ist jetzt zweitrangig.» Diese Meinung teilt auch Peter Zeidler und will die Leistung der Schiedsrichter nicht mehr erwähnen: «Wir haben nicht gut gespielt und hätten es nicht verdient, mit dieser Leistung Cupsieger zu werden. Wir gratulieren Luzern zum verdienten Sieg.»

veröffentlicht: 25. Mai 2021 16:40
aktualisiert: 25. Mai 2021 19:32
Quelle: FM1Today

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