Arbeitsalltag in Afrika

«Ohne Beziehungen läuft in Namibia fast nichts»

25.06.2022, 19:50 Uhr
· Online seit 25.06.2022, 19:41 Uhr
Seit neun Monaten arbeitet die Krienserin Anna Hartman im Bildungsdirektorat Kavango West in Namibia. Die 35-Jährige erzählt, was es bedeutet, in einem afrikanischen Land zu arbeiten und mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hat.
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An ihren ersten Arbeitstag kann sich Anna Hartmann, die für die Non-Profit-Organisation «Comundo» einen humanitären Einsatz in Afrika leistet, noch gut erinnern. Eine Mitarbeiterin führte sie an ihren Arbeitsplatz, der in einer grossen Halle lag: «Es gab jedoch keinen Computer, kein Telefon, kein Internet und vor allem keine Einführung durch einen Arbeitskollegen. Plötzlich sass ich allein in der grossen Halle an einem leeren Pult. Ich musste dreimal leer schlucken und überlegte mir: ‹Okay, das hat wohl Comundo im Ausreisekurs mit Beziehungsaufbau gemeint.›»

Sitzungen bis zu sechs Stunden

Nach und nach lernte die 35-Jährige die Arbeitsweise in Namibia kennen, die «ganz anders» sei als bei uns. Sie erzählt: «Die Hierarchien sind viel strenger, und es gibt bei Sitzungen diverse Regeln, die man beachten muss.» So beginnt und endet ein offizielles Meeting beispielsweise immer mit einem Gebet. Man sollte nicht unaufgefordert sprechen und die ranghöchste Person hat immer das Schlusswort. Weil grundsätzlich alle Personen bei der Sitzung zu Wort kommen, kann ein Management-Meeting auch mal länger dauern: «Manchmal bis zu sechs Stunden – und dies ohne Pause!»

Integration geht durch den Magen

Um wenigstens ein bisschen mit ihren Arbeitsgspändli ins Gespräch zu kommen, verbrachte die Krienserin ihre Mittagspausen nicht an ihrem abgeschiedenen Arbeitsplatz, sondern bei ihren namibischen Kolleginnen und Kollegen. Auch bei den «Breakfast»-Pausen knüpfte sie bei Tee und Toast Kontakte. Wie wichtig Beziehungspflege ist, merkte Hartmann auch in ihrem Arbeitsalltag. «Ohne Beziehungen läuft in Namibia fast nichts», erzählt sie. «Die Menschen müssen dich zuerst kennen und akzeptieren, bevor eine geschäftliche Zusammenarbeit beginnen kann.»

Nach drei Monaten erhielt die Finanzexpertin auf ihre Bitte hin einen neuen Arbeitsplatz: Nun sitzt sie mitten im Büro des 13-köpfigen Finanzteams neben der Senior Accountant. Die 35-Jährige bekam einen Computer, einen Drucker und Internetanschluss. Ein grosser Fortschritt: «Automatisch war ich nun besser integriert und besser informiert.»

Hilfe bei den Finanzen

Bei ihrer Arbeit als Management Advisor unterstützt Hartmann das Management des Bildungsdirektorats Kavango West im Norden Namibias bei der Verbesserung der Administration des Bildungswesens. Das Ziel ist es, Finanz- und Personalressourcen im Schulsystem in Kavango West besser einzusetzen.

Hierzu hat die Comundo-Mitarbeiterin bereits einige Schulen besucht, um in diesen die Finanzen zu begutachten und die Verantwortlichen zu schulen. Mit ihren Arbeitskollegen zusammen hat Hartmann zudem eine Excel-Vorlage entwickelt, die die Schulen für ihr Budget verwenden können. Damit sollen die Einnahmen und Ausgaben besser und effizienter geplant und kontrolliert werden können. «So können sie zum Beispiel besser dafür sorgen, dass das Geld bis Ende Schuljahr reicht, um Bücher oder Kopierpapier für die Lernenden zu kaufen oder für jedes Kind einen Stuhl anzuschaffen, damit es nicht auf dem Boden sitzen muss.»

Nach neun Monaten in Namibia fühlt sich Anna Hartmann gut integriert und fühlt sich wohl bei ihrer Arbeit: «Der namibische Arbeitsalltag ist weniger hektisch und leistungsorientiert als der schweizerische, oft auch viel spontaner und einiges chaotischer. Aber er ist definitiv auch herzlicher und fröhlicher.» Das Motto der Krienserin für die nächsten Monate heisst daher: «Beziehungen pflegen und Flexibilität zeigen».

veröffentlicht: 25. Juni 2022 19:41
aktualisiert: 25. Juni 2022 19:50
Quelle: PilatusToday

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