Ist man obdachlos, zieht dies einige Problem mit sich. Denn, wenn man keine fixe Anschrift hat, ist es komplizierter bis unmöglich, beispielsweise ein Bankkonto zu eröffnen oder eine Versicherung bei der Krankenkasse abzuschliessen.
Wohnungen anbieten für Obdachlose
Diesem Umstand will die SP Stadt Luzern Rechnung tragen. Die Partei hat einen Vorstoss eingereicht, der das Stadtparlament auffordert, ein Pilotprojekt namens «Housing First» zu überprüfen. Das Pilotprojekt soll obdachlosen Personen bedingungslos eine Wohnung zur Verfügung stellen. Bedingungslos heisst: ohne dass der Wohnraum gekoppelt ist an Betreuungs-, Therapie- oder Tagesstrukturangebote. «Menschen, die ungewollt obdachlos geworden sind, müssen wir eine Möglichkeit bieten, ein Dach über dem Kopf zu haben und ihr Leben in den Griff zu bekommen», sagt Claudio Soldati von der SP über die Beweggründe des Vorstosses. Mit dem Pilotprojekt «Housing First» soll das gelingen.
Nicht nur könne so den betroffenen Menschen geholfen werden, sondern auch für die Gesellschaft gibt es Vorteile: «Wir haben weniger Kosten. Wenn solche Menschen ihr Leben neu anfangen können, gibt es weniger Gesundheitsausgaben oder es kommt zu weniger Polizeieinsätzen oder Gerichtsfällen in diesen Dingen. Somit ist dies eine Win-Win-Situation sowohl für die Betroffenen als auch für die Bevölkerung.»
Basel: Erwartungen übertroffen, aber besteht Verbesserungspotenzial
Das Projekt «Housing First» wird bereits in anderen Schweizer Städten umgesetzt, so beispielsweise in Basel-Stadt, durchgeführt von der Heilsarmee. Die Erfahrungen dort sind mehrheitlich positiv, wie der Bereichsleiter «Housing First» in Basel, Thomas Frommherz auf Anfrage mitteilt: «Seit Beginn 2020 konnten wir Stand heute 24 Menschen ins Projekt aufnehmen. Erwartet wurden 15 Begleitungen, was wir bereits übertroffen haben.» Momentan stehen in Basel 16 Wohnungen für «Housing First» zur Verfügung.
Laut Frommherz gab es vor allem beim selbstverantwortlichen Wohnen Probleme wie Konflikte mit Nachbarn oder Vermietern. Eine Herausforderung für die betreuende Heilsarmee ist dabei die Schweigepflicht. Diese erschwert es, die Konflikte zwischen den Parteien zu lösen. Verbesserungspotenzial sieht Frommherz denn auch in der Betreuung: «Wir würden gerne eine Peer-Person – also eine ehemalig obdachlose Person – involvieren, um Menschen zu erreichen, die auf der Strasse leben. Der Name «Heilsarmee» schreckt viele ab, Hilfe von uns anzunehmen.»
Stadt soll tragende Rolle spielen
Wie genau das Pilotprojekt in der Stadt Luzern umgesetzt werden soll, ist noch offen. Es würde sich laut Soldati jedoch anbieten, bestehende Institutionen wie der Verein Kirchliche Gassenarbeit oder Jobdach in die Umsetzung und Organisation einzubeziehen. Aber: «Es ist wichtig, dass die Stadt hier eine tragende Rolle spielt.»
Auf den begrenzten Wohnraum in der Stadt Luzern angesprochen, meint der SP-Stadtparlamentarier: «Die Unterkünfte sind zu finden – es ist nur eine Frage des politischen Willens.» Für die Stadt Luzern geht die SP von ca. 10-20 obdachlosen Personen aus.
Die beiden Institutionen Verein Kirchliche Gassenarbeit Luzern und Jobdach, die sich in ihrer Arbeit mit obdachlosen Personen beschäftigen, würden ein solches Angebot wie «Housing First» begrüssen. «Die Idee von bedingungslosem Wohnraum ist sehr gut. Ein solches Angebot fehlt bisher. Gerade bei Personen, die unsere Angebote nutzen, gibt es immer wieder Menschen, die ihre Wohnung verlassen müssen, weil sie sich nicht an die geltenden Regeln halten», sagt die Geschäftsleiterin der Gassenarbeit Franziska Reist.
Und Margrit Falk, Stellvertretende Fachbereichsleiterin Obdach von Jobdach ergänzt: «Housing First ist ein grosses Thema bei uns. Ein solches niederschwelliges Angebot braucht es, da wir vor allem beim betreuten Wohnen eine lange Warteliste führen.» Somit könnte das Projekt «Housing First» das bestehende Angebot von Jobdach ergänzen und entlasten.