Luzern

Stieftochter missbraucht? 49-Jähriger erneut vor Gericht

17.07.2020, 06:24 Uhr
· Online seit 16.07.2020, 17:14 Uhr
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Luzern sind happig: Mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern, mehrfache (versuchte) Vergewaltigung und eine Reihe weiterer Gesetzesverstösse werden einem deutschen Lastwagenfahrer vorgeworfen. Die Opfer: Seine Stieftochter und ihre Freundin.

Quelle: Tele 1

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Der Beschuldigte wurde für diese Vorwürfe vom Luzerner Kriminalgericht zu 5 Jahren und 2 Monaten Gefängnis verurteilt und darüber hinaus 10 Jahre des Landes verwiesen. Dagegen hatte die Verteidigung Berufung eingelegt. Später hatte auch die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Sind die Aussagen glaubhaft?

In diesem Berufungsprozess geht es für das Kantonsgericht insbesondere darum zu prüfen, ob den Aussagen von einem der Opfer zu glauben sind. So stellt es zumindest der Verteidiger des Beschuldigten dar. Er hat in seinem Plädoyer versucht zu zeigen, dass sich die Freundin der Stieftochter in Widersprüche und Diskrepanzen verstricke. Auf diese angeblichen Ungereimtheiten und Fehler wurde bereits vor dem Kriminalgericht hingewiesen. Diese wurden weitgehend nicht berücksichtigt.

Nichtsdestotrotz fordert die Verteidigung einen Freispruch des Beschuldigten. Ausserdem stellt sie den Antrag auf ein Glaubhaftigkeitsgutachten mit Hilfe einer Fachperson für Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS). Darunter leide die Stieftochter nämlich. Ausdruck davon könne eine Kombination sein von es allen recht machen zu wollen und introvertiert zu sein.

Kritik der Vorinstanz

Der Verteidiger kritisierte weiter die Arbeit der Vorinstanz. Das Kriminalgericht hätte die Aussagen vieler Zeugen nicht berücksichtigt und für den Schuldspruch nur wenig Hinweise geliefert. Ausserdem seien zentrale Fragen nicht beantwortet oder gar nicht gestellt worden.

Wirkung des Beschuldigten

Der Beschuldigte selber wirkte vor Gericht unsicher. Er machte immer wieder Erinnerungslücken geltend und sagte, er könnte sich Vorwürfe nicht erklären. Wiederholt nahm er sich Auszeiten und sagte, er müsse das Gehörte verarbeiten. Er blieb jedoch bei seinen Aussagen und bestritt jegliche Vorwürfe der Vergewaltigung, des Missbrauchs, der körperlichen Verletzung oder der illegalen Pornografie. Er gab einzig zu, dass der Chat-Verkehr mit der Freundin seiner Stieftochter blöd gewesen sei. Er habe dies jedoch gemacht, um seine Familie und sich zu schützen, weil er Angst gehabt habe, dass das Mädchen sonst die Familie zerstören könnte.

Die Diagnose eines Gutachters, wonach er pädophil sei, bezeichnete der Beschuldigte am Donnerstag vor Gericht als «absoluten Schwachsinn». Er sei glücklich verheiratet und habe das nicht nötig. Der Mann, der sich seit 2017 in Haft befindet, erachtet denn auch eine therapeutische Behandlung als unnötig.

Argumentation der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft zeichnet das Bild eines manipulativen Machtmenschen, der sich durch seine Autoritäts- und Vertrauenssituation gegenüber den beiden Mädchen geholt hatte, was er wollte: Befriedigung durch minderjährige Mädchen. Ausserdem nimmt die Staatsanwaltschaft die Aussagen der Freundin der Stieftochter in Schutz, die vom Beschuldigten in einen «lähmenden Gewissenskonflikt» gedrängt wurde. Die Freundin der Stieftochter war in den Beschuldigten verliebt und wollte deshalb seinen Wünschen gerecht werden. In der Familie des Beschuldigten erhielt das Mädchen Zuwendung, Nähe und Anerkennung und dies nutzte der Beschuldigte aus.

Für die Staatsanwaltschaft bestehen keine Zweifel über die Schuld des Angeklagten. Sie fordert deshalb 7 Jahre Gefängnis für den Beschuldigten. Die Haft sei jedoch zugunsten einer stationären Massnahme aufzuschieben. Das Glaubhaftigkeitsgutachten, das die Verteidigung forderte, sei zudem abzuweisen.

Aussagen der Stieftochter?

Die Stieftochter des Beschuldigten hatte in den ersten Einvernahmen den Missbrauch noch bestätigt, später und auch vor Gericht jedoch bestritten. Laut der Staatsanwaltschaft des Kriminalgerichts konnte der Beschuldigte gegenüber der unsicheren, labilen und von ihm abhängigen Stieftochter Druck aufbauen und sie so zur Kehrtwende bewegen.

«Es gibt andere Erklärungen als Druck der Familie», sagte dagegen der Verteidiger. Er stellte den Antrag auf ein Glaubhaftigkeitsgutachten mit Hilfe einer Fachperson für Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS). Darunter leide die Stieftochter. Dass die schulische Leistungen der Stieftochter besser wurde nach dem Widerruf der Aussage, werte er als Zeichen dafür, dass diese damit die Wahrheit gesagt habe.

Urteil noch unklar

Der Beschuldigte selbst befindet sich seit 2017 in Sicherheitshaft, die das Kantonsgericht nun bis zum Abschluss des Verfahrens verlängerte.

Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt mündlich eröffnet.

Ausgangslage

Der 49-jährige Deutsche soll seine minderjährige Stieftochter über Jahre hinweg sexuell missbraucht haben. Er hat sie im Genitalbereich verletzt und mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt. Ausserdem wird dem Beschuldigten vorgeworfen, die 13-jährige, damals beste Freundin seiner Stieftochter ebenfalls mehrfach sexuell missbraucht zu haben.

Die Anklage am Kriminalgericht führte zur Verurteilung des Beschuldigten eine Verletzung des Genitalbereichs des Opfers ins Feld. Zudem habe der Mann das Mädchen mit einer übertragbaren Geschlechtskrankheit angesteckt. Das Gericht wertete dies als Indiz für den sexuellen Kontakt.

veröffentlicht: 16. Juli 2020 17:14
aktualisiert: 17. Juli 2020 06:24
Quelle: PilatusToday / sda

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