«Warum schlägst du nicht einfach zurück?»
Gewaltdelikte
in einer Beziehung bleiben oft unerkannt. Meistens ist die Frau das Opfer. Es
gibt aber auch immer mehr Gewalt gegen Männer. Als Mann sei es schwer, sich als
Opfer zu erkennen zu geben. Das sagt Manfred Schneeberger in seinem Büro in
Luzern. Er begleitet Männer, die Gewalt in ihrer Beziehung erlebt haben.
Von Frauen
angewandte Gewalt sei viel subtiler, so Schneeberger: «Ich habe in den fünf Jahren
schon vieles gesehen, das mich überrascht hat». Männer seien mit Vorurteilen
konfrontiert: «Sie hören dann Sachen wie ‹Warum schlägst du nicht einfach
zurück?›, er sei ja schliesslich ein starker Mann».
Männer machen einen «ZwüscheHalt» im Leben
Wenn es Zuhause nicht mehr geht, muss schnell eine Lösung gefunden werden. Da kommt der Verein «ZwüscheHalt» ins Spiel. Der Verein bietet die Möglichkeit, einige Zeit in einer sicheren Umgebung zu wohnen. Mittlerweile gibt es Plätze in Luzern, Bern und Zürich. «Wir begleiten die Männer intensiv durch die schwere Zeit», sagt Manfred Schneeberger. Es zeige sich auch, wann die Probleme in Familien zunehmen: «Der Streit an Weihnachten oder Gewaltausübung in den Sommerferien ist der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. In diesen Zeiten haben wir mehr Anfragen».
Der Aufenthalt dauert von wenigen Tagen bis hin zu einem Jahr. Im «ZwüscheHalt» in Luzern können sowohl Täter als auch Opfer von häuslicher Gewalt einziehen. Das sorge oft für Stirnrunzeln bei Behörden und Aussenstehenden. «Wichtig zu verstehen ist, dass die Täter- und Opferbezeichnung nicht immer klar ist. Probleme in einer Beziehung entwickeln sich jahrelang», meint Manfred Schneeberger. Es gäbe viele Fälle, wo Mann und Frau über die Jahre hinweg Täter und Opfer waren.
Das Zusammenleben der Männer funktioniere gut, es sei wie in einer Wohngemeinschaft. Die Wohnungstür bleibt aber immer abgeschlossen. Es gäbe auch Frauen, die Ihre Männer weiter bedrohen, erzählt Schneeberger. Deshalb sei auch der Standort der Wohnung nicht öffentlich.
Wie Corona die Gewalt verändert
Gemäss ersten Studien kam es während dem ersten Lockdown im Jahr 2020 nicht zu mehr häuslicher Gewalt. Aber: Männer werden immer häufiger Opfer. Manfred Schneeberger sieht in der Corona-Pandemie eine Gefahr, die sich erst in den kommenden Jahren zeigen könnte. Durch Lockdowns und Homeoffice sei die Familie viel enger zusammen. Da sei es auch schwerer, einen ruhigen Moment zu finden, und sich von aussen Hilfe zu holen.
Ein ganzes Haus für Männer
Aktuell hat es in Luzern drei Schlafplätze für einen «ZwüscheHalt». Der Bedarf sei aber gross, sagt Manfred Schneeberger: «Ich musste auch schon Männer abweisen oder in einer anderen Stadt unterbringen». Der Verein will in ein Haus umziehen und so mehr Männern Platz schaffen. So gäbe es mehr Chancen für Männer, zurück in ein geregeltes Leben zu finden.