Caroline Chevin im Interview

«Wir sehen wie Hippies aus, haben aber viele Strukturen»

· Online seit 14.09.2020, 05:55 Uhr
Als selbstständige Künstlerin war die Corona-Zeit für Luzerner Soulsängerin Caroline Chevin nicht einfach. Im Interview mit PilatusToday verrät sie, welche Herausforderungen es zu meistern galt, wie sie sich momentan schlägt und was sie sich für die Zukunft erhofft.
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Der Beginn der Corona-Pandemie war für Caroline Chevin von Unsicherheit geprägt. «Am Anfang war einem das Ausmass noch gar nicht bewusst. Man wusste nur, da kommt etwas.» So entschied sie sich – dem Lockdown zum Trotz – mitten in der ersten Welle, ihr neues Album zu veröffentlichen. Die Reaktionen fielen sehr positiv aus, denn: «Ich glaube, die Leute wollten etwas anderes hören als immer nur Corona.» Während ihre Musik für eine willkommene Abwechslung sorgte, konnte die Luzernerin ihre fürs Frühjahr und Sommer geplante Tour nicht wie erhofft umsetzen. Dass viele Veranstalter mit Ausweichterminen auf das Veranstaltungsverbot reagierten, war für sie eine Erleichterung: «Gott sei Dank wurden die meisten Auftritte auf den Herbst oder das nächste Jahr verschoben und nicht ganz abgesagt.»

Es ist Kreativität gefragt

Bei den Veranstaltern sei jetzt Kreativität gefragt. «Es muss umgedacht werden. Was ist innerhalb der Richtlinien logistisch machbar?», sagt Caroline Chevin über die Herausforderung, in dieser schwierigen Zeit Konzerte zu organisieren. «Dass noch viele Events draussen stattfinden konnten, war ein Glücksfall, doch bei kleinen lokalen Auftritten wurde es sehr schwierig.»

Die ganze Branche ist betroffen

Der Zusammenhalt in der Branche sei stark. Für Soulsängerin Caroline Chevin ist es wichtig, zu betonen: «Die Eventbranche ist riesig. Schauspieler, Musiker, Komiker oder Künstler und dann kommen noch Booking-Agenturen, Manager der Künstler, Veranstalter, Bühnen- und Lichttechniker, Fotografen hinzu. Die Liste ist endlos.» Ein starkes Zeichen habe man mit der «Night of Light» gesetzt, bei der Veranstaltungsorte in der ganzen Schweiz rot angeleuchtet wurden. «Wir waren die Ersten, die aufhören mussten zu arbeiten, und die Letzten, die wieder anfangen durften.»

Das sei auch alles, was man wolle – arbeiten. «Es wird uns sehr schwierig gemacht, weil es sich mit den ganzen Auflagen finanziell einfach nicht lohnt.» Im Mai wurden Veranstaltungen wieder zugelassen, worüber man sich sehr gefreut hatte, doch: «Wir haben nicht realisiert, was das effektiv heisst. Es gibt regelmässig Änderungen und es war fast unmöglich, etwas zu planen», meint Chevin. «Normalerweise würden jetzt schon die Auftritte für Frühling und Sommer 2021 feststehen.» Viele Veranstalter würden das Risiko nicht eingehen wollen, in so unsicheren Zeiten Ressourcen in die Planung von Events zu investieren, die vielleicht nicht stattfinden können. «Man denkt, da Veranstaltungen wieder möglich sind, wäre alles wieder gut, doch die Realität sieht anders aus.»

«Wir sehen wie Hippies aus, haben aber viele Strukturen»

Häufig würde man vergessen, wie viel Arbeit und Planung in den meisten Veranstaltungen steckt. «Klar, wir sind die bunten Vögel und Freigeister, aber auch wir haben Strukturen und Planungszeiten, die wir einhalten müssen», sagt Chevin über die falsche Wahrnehmung von Künstlern, die einige haben. Auch verstehe sie, dass es für viele schwierig ist, hinter die Kulissen zu sehen. Die teils gemischten Signale aus Bern würden die Sache auch nicht leichter machen. Speziell die Streichung des Erwerbsersatzes für Selbstständige ab dem 16. September sorgt bei Caroline Chevin für Kopfschütteln. «Es heisst, wir seien nicht mehr auf Unterstützung angewiesen, doch das stimmt einfach nicht.» Trotz Lockerungen sei noch keine grosse Besserung in Sicht. «Was in meiner Agenda steht, sind Konzerte, die verschoben wurden. Neubuchungen kommen keine rein.» Dass sich der Ständerat am 10. September dagegen entschieden hat, Selbstständige wie bisher zu unterstützen, ist für Chevin eine grosse Enttäuschung. «Dass man ausgerechnet in der Veranstaltungsbranche die Mittel kürzt, verstehe ich nicht.»

Was für die Luzerner Sängerin Caroline Chevin zu oft vergessen geht, ist die mentale Gesundheit, die bei vielen unter dem Lockdown gelitten hat. «Soziale Kontakte, Sport und Musik sind wichtig für unsere Psyche. Natürlich müssen wir versuchen, auch körperlich gesund zu bleiben, doch es gilt, einen guten Ausgleich zu finden und nicht einfach gewisse Gebiete komplett abzuschreiben.» (dmi)

veröffentlicht: 14. September 2020 05:55
aktualisiert: 14. September 2020 05:55
Quelle: PilatusToday

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