Jagdsaison

Notwendig oder doch grausam: Ist die Jagd noch zeitgemäss?

· Online seit 03.10.2022, 09:58 Uhr
Seit Anfang September fallen wieder Schüsse in den Zentralschweizer Wäldern. Die Jagdsaison ist im vollen Gange. Aber braucht es die Jagd überhaupt?
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Zwischen September und Februar werden jedes Jahr zahlreiche Tiere zur Regulierung erlegt – auch in der Zentralschweiz. Zum Abschuss stehen etwa Rothirsche, Rehe und Gämse.

So viel wird geschossen

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Regulierungsziele der einzelnen Kantone der Zentralschweiz auf. Oft werden diese Zahlen nicht durch die Jagd alleine, sondern auch durch die Fallwildzahlen erreicht. Bei Fallwildzahlen handelt es sich um die Anzahl der Tiere, die ohne Zutun des Jägers umgekommen sind, sondern zum Beispiel durch Krankheiten, Unfälle, Hunger oder Kälte.

Was passiert nach dem Abschuss?

Erlegtes Wild wird verwertet. Ein wesentlicher Teil durch die Jägerschaft selber, ein Teil gelangt in die Gastronomie und in den Handel. Dabei kommt das geschossene Wild erst einmal in die Wildkontrollstelle, wie Fabian Bieri, Abteilungsleiter Jagd und Fischerei Nidwalden, erklärt. Dort beurteilt eine Kontrolleurin oder ein Kontrolleur gemeinsam mit der Jägerin oder dem Jäger, ob das erlegte Tier auch der Lebensmittelgesetzgebung entspricht.

«Gleich nach dem Abschuss verpasst der Jäger dem Tier eine Marke, eine eindeutige Kennzeichnung», sagt Bieri. Damit kann das Wildfleisch jederzeit zur Jägerin respektive zum Jäger zurückverfolgt werden. Bei der Kontrollstelle kommt dann ein Kontrollschein dazu, der mit dem Tier überall mitgeht, zum Beispiel zur Metzgerei.

Nur einwandfreies Wildbret, welches die gesetzlichen Vorschriften erfüllt, darf in Verkehr gebracht werden. Dies gilt sowohl für den Verkauf – zum Beispiel an ein Restaurant oder eine Metzgerei – als auch für die unentgeltliche Abgabe von Wildbret (Wildfleisch) an Konsumenten.

Tiere, die sich nicht zum Verzehr eignen, weil sie beispielsweise Abnormalitäten aufweisen, landen in der Kadaversammelstelle. Aber wie Bieri versichert: «Es werden nur wenige Tiere erlegt, die nicht verwertet werden können. Wildbret ist ein erstklassiges Naturprodukt.»

Und die Jagd ist streng geregelt. Jeder Kanton hat eigene Jagdgesetze, die strikte Jagdzeiten festsetzen und Rücksicht auf regionale Gegebenheiten nehmen. Ersichtlich ist dies am Beispiel des Kantons Uri: In Ursern hat man bereits im September die Gämsjagd aufgrund von Gämsblindheit gestoppt.

Ist die Jagd noch zeitgemäss?

Trotzdem gerät die Jagd immer wieder in Kritik. Die Tierpartei Schweiz bezeichnet die Jagd gar als «grausam und sinnlos». Sie widerspreche dem Tierschutzgesetz gemäss Artikel 4, Absatz 2. Dort heisst es: «Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten. Das Misshandeln, Vernachlässigen oder unnötige Überanstrengen von Tieren ist verboten.»

Statt der Regulation zu dienen, erhöhe der Jagddruck die Tierpopulationen. Es komme zu mehr Geburten, heisst es auf der Website der Tierpartei. Das bestätigt auch Manuel Wyss, Abteilungsleiter Jagd und Fischerei Schwyz: «Mit der falschen Jagdstrategie ist es durchaus möglich, dass die Geburtenzahl erhöht wird.»

In der Schweiz werden deswegen Jagdkonzepte immer wieder überarbeitet, sodass die gesetzlich vorgeschriebene nachhaltige Jagd betrieben werden kann. Ein Beispiel: Strebt man eine Senkung der Rothirschbestände an, muss darauf geachtet werden, dass mehr Weibchen geschossen werden als Männchen.

Weiter, argumentiert die Tierpartei Schweiz, würden Stress und Jagddruck Krankheiten fördern. Laut Tierpartei scheucht die Jagd die Tiere unnötig auf, wodurch sie in den Wald zurückgedrängt werden. Dadurch entstünden Schäden an Trieben und Knospen. Demnach provoziert die Jagd Wildschäden sogar.

Die Jagd dient der Wirtschaft

Anders sieht die Argumentation aufseiten der Jäger aus. Der Abschuss diene der Regulation der Bestände, was wiederum «dem Schutz des Waldes vor übermässigem Verbiss, dem Schutz der landwirtschaftlichen Kulturen und dem Erhalt eines gesunden Wildbestandes dient», wie Martin Ziegler, Amtsleiter Amt für Wald und Wild Zug, erklärt.

Eine Massnahme, die auch wirtschaftliche Gründe hat. Denn, wie Manuel Wyss erklärt und auch die Tierpartei Schweiz argumentiert, regulieren sich Wildbestände durchaus selber. Jedoch lässt die Selbstregulierung eine viel grössere Anzahl an Beständen zu.

Soll heissen: Ohne Regulierung durch den Jäger entstehen Schäden für die Landwirtschaft. Zusätzlich könnten wir den Lebensraum der Tiere nicht nutzen. «In einer perfekten Welt hat es Platz für alle. Aber die Kapazität korrespondiert nicht mit der Wirtschaft», schliesst er.

(wra)

veröffentlicht: 3. Oktober 2022 09:58
aktualisiert: 3. Oktober 2022 09:58
Quelle: PilatusToday

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