Luzern

Party für alle: Wie das Nachtleben barrierefreier werden soll

16.08.2022, 21:09 Uhr
· Online seit 16.08.2022, 20:41 Uhr
Abmachen, sich rausputzen und dann ab auf die Tanzfläche – Feiern gehört für viele Jugendliche zum fixen Wochenend-Programm. Nicht für alle ist dies aber möglich. Viele Bars und Clubs sind nicht rollstuhlzugänglich. Warum es je nach Club enorme Unterschiede gibt, und was die Verantwortlichen tun wollen, um ein inklusives Nachtleben zu fördern.
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Im Club Südpol in Kriens wird auf zwei Etagen gefeiert. Die Etagen sind per Lift erreichbar. Im oberen Stock hat es ein Rollstuhl-WC. Ausserdem ist der Bartresen auf der Seite niedriger gebaut, sodass auch Rollstuhlfahrende bestellen können. Der Club macht es vor: Barrierefreiheit im Nachtleben.

Dass dies nicht die Norm ist und es grosse Unterschiede je nach Club oder Bar gibt, haben wir in unserer Serie "Sitzend tanzend" hautnah miterlebt: Die 20-jährige Wayra, die seit sieben Jahren im Rollstuhl sitzt, hat uns mit in ihren Lieblingsclub genommen: Ein Club ohne Lift und ohne Rampe. Dafür mit zwei hilfsbereiten Türstehern, die Wayra samt Rollstuhl die Treppenstufen runtergetragen haben bis zur Tanzfläche. Das täten sie immer, so Wayra. Sie fände das super und nehme die Hilfe gerne an.

Hilfsbereitschaft alleine reicht nicht

Mit Hilfbereitschaft sei es allerdings nicht getan, so die stellvertretende Geschäftsleiterin des Dachverbandes der Behindertenorganisationen Inclusion Handicap, Caroline Hess-Klein. «Ich denke, den meisten Menschen mit Behinderung fällt es nicht schwer, punktuell Hilfe anzunehmen. Das geht uns ja nicht anders: Wenn uns im Coop eine Tüte kaputt geht und jemand reicht uns eine neue, sind wir auch froh um die Hilfe.» Der Unterschied: «Sie können gar nicht anders, im Gegensatz zu uns. Es ist nicht, dass ihr Leben autonom verläuft und sie punktuell alle paar Monate mal froh um Hilfe sind. Das ist eine völlig andere Konstellation», so Hess-Klein.

Laut dem Dachverband besteht definitiv Handlungsbedarf. Die gesetzliche Grundlage müsse konkretisiert werden, um ein inklusiveres Nachtleben zu fördern. In der Schweiz gilt seit 2004 das Behindertengleichstellungsgesetz. Damit einher geht die Verpflichtung, Clubs und Bars barrierefrei zu machen, wenn sie um- oder neugebaut werden. Eine Anpassungspflicht für bereits bestehende Clubs und Bars gibt es allerdings nicht.

Dies sollte sich laut Hess-Klein ändern: «Es sollte auf Bundes- aber auch auf kantonaler Ebene eine Anpassungspflicht geben und zwar für alle Clubs, nicht nur diejenigen, die um- oder neugebaut werden. Menschen mit einer Behinderung sollten nicht warten müssen, bis irgendwann vielleicht das Gebäude, in dem sich ihre Lieblingsdisco befindet, einmal renoviert wird.»

Verantwortliche sind sich der Thematik bewusst

Die Bar & Club Kommission Luzern sieht allerdings gerade in den baulichen Aspekten die grösste Hürde: «Das bedeutet einen grossen finanziellen Aufwand. Das soll aber nicht heissen, dass wir diesen scheuen», so Gianluca Pardini, Geschäftsführer IG Kultur Luzern – Bar & Club Kommission. Sie hätten die Thematik auf dem Schirm. «Wir beschäftigen uns damit. Es gibt auch verschiedene Arbeitsgruppen, die an Konzepten für ein inklusiveres Nachtleben arbeiten.» Ein weiterer wichtiger Punkt sei in seinen Augen die Kommunikation von Bars und Clubs bezüglich ihrer Barrierefreiheit. «Dass sich die Betriebe gegen aussen klar positionieren und besser kommunizieren, inwiefern sie rollstuhlzugänglich sind.» So arbeite man auch an einer Übersicht.

Auch der Club im Südpol in Kriens will zukünftig noch mehr auf Kommunikation setzen. «Unser Club steht dafür, dass er zugänglich sein soll für alle Menschen. Uns fällt aber auf, dass selten bis gar nie eine rollstuhlgängige Person kommt.» Er wünscht sich, dass dies in Zukunft öfter der Fall sein wird. Um im Austausch mit rollstuhlgängigen Personen noch mehr zu erfahren, welche Bedürfnisse sie haben und im gemeinsamen Austausch ein inklusives Nachtleben voranzubringen.

veröffentlicht: 16. August 2022 20:41
aktualisiert: 16. August 2022 21:09
Quelle: PilatusToday

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