Es sind schockierende Bilder, die Tobias Lingg an diesem Wochenende in einem Video auf Instagram teilte. Der junge Mann ist einer der führenden Köpfe der rechtsextremen Gruppierung «Junge Tat».
Selbstbewusst und mit festem Blick in die Kamera sagt er im Video: «Wir sind hier in Schwyz und werden den lokalen Widerstand gegen das Bundesasylzentrum in Buosingen unterstützen. Wie man es sich von uns gewohnt ist, werden wir ihn [den Widerstand] ästhetisch aufwerten und dem Ganzen eine andere Note verleihen.»
Diese «andere Note» bedeutet: rechtsextreme Parolen. Das Video zeigt Freiheitstrychler, die ihre Glocken klingen lassen. Junge Menschen – vor allem Männer – die zusammen «Remigration jetzt» skandieren. Eine Menschenmenge, die eine Demonstration mit Transparenten anführt, auf denen steht: «Wir fordern Remigration! Nein zum Bundesasylzentrum!», «Abschieben rettet Leben!», «Schweiz zuerst!»
Über 250 Likes erntete der Post mit dem Video. Darunter schrieb Lingg: «Trotz des Regens sind rund 40 Aktivisten und Sympathisanten der ‹Jungen Tat› in Schwyz zusammengekommen, um den lokalen Widerstand gegen das Bundesasylheim zu unterstützen. Wir, die Schweizer Jugend, fordern, das Einzige, was unsere Zukunft retten kann: Remigration!» Vor und hinter das Wort «Remigration» hat Lingg zwei Flugzeug-Emojis eingefügt.
Aufgenommen hat die «Junge Tat» das Video diesen Samstag an einer Demonstration in Schwyz, an der laut Kantonspolizei 250 Personen teilnahmen. Inmitten der Rechtsextremen und «Remigration!»-Schildern befand sich auch ein Politiker von nationaler Bedeutung: Der Schwyzer SVP-Ständerat Pirmin Schwander.
Nähe zu Corona-Massnahmen-Kritikern
Pirmin Schwander gelang 2023 der Sprung vom National- in den Ständerat. Zu verdanken könnte er dies unter anderem dem «Aktionsbündnis Urkantone» haben. Diese Gruppierung ist 2020 aus Corona-Massnahmen-Gegnerinnen und -Gegnern erwachsen. Während der Pandemie trat Schwander immer wieder als Redner an Demonstrationen des «Aktionsbündnis Urkantone» auf. Das verschaffte ihm in der Szene Bekannt- und Beliebtheit.
Seine Nähe zum «Aktionsbündnis Urkantone» behielt Schwander seither bei. Dies zeigte sich auch am vergangenen Samstag
Nicht die «Junge Tat», sondern das «Aktionsbündnis Urkantone» rief zur Demonstration auf. Weil die Gemeinde Arth, der Bund und die Kantonsregierung – in der sich auch drei SVP-Vertreter befinden – beschlossen hatten, dass in Buosingen auf einem verlassenen Campingplatz ein Bundesasylzentrum entstehen soll. Als Redner kündigte das «Aktionbündnis Urkantone» Pirmin Schwander an.
Wie der «Bote der Urschweiz» berichtete, war Schwander der einzige bekannte SVP-Politiker an der Kundgebung am Samstag. Andere SVP-Mitglieder hätten sich wohl an die Weisung der Schwyzer Parteileitung gehalten.
Die SVP Schwyz hat zwar selbst im August bekannt gegeben, eine Initiative gegen Asylzentren im Kanton zu lancieren. In dieser fordert sie «eine gesetzliche Verankerung des Grundsatzes, dass sich der Kanton Schwyz im Rahmen der Konsultation nach Asylgesetz zur Erstellung von Bundesasylzentren ablehnend zu äussern hat». SVP-Schwyz-Präsident und Nationalrat Roman Bürgi stellte im Voraus alleredings klar, dass seine Fraktion nichts mit der Demonstration vom Samstag zu tun hat.
Diese Distanz wahrte die SVP Schwyz wohl aus gutem Grund. Denn: Dass die «Junge Tat» die Demonstration unterwandern wollte, dafür gab es bereits im Vorfeld klare Anzeichen.
Vorangehende Störaktionen der «Jungen Tat»
Im Februar fanden die Anwohnerinnen und Anwohner von Arth aussergewöhnliche Flyer in ihren Briefkästen, wie 20 Minuten berichtete. Diese erweckten den Eindruck, von der Gemeinde verteilt worden zu sein. Der Titel: «Das neue Bundesasylzentrum Arth-Goldau».
In den Flyern zu lesen waren Sätze wie: «Die Gemeinde verkündet mit vollem Stolz 2024 den ersten Spatenstich für das neue Bundesasylzentrum in Ihrer Nähe zu setzen.» Eine Aussage, die nicht stimmt. Der Bau des Asylzentrums für auszuweisende Asylsuchende in Buosingen hat noch gar nicht begonnen.
Doch um die Wahrheit ging es den Urhebern der Flyer nicht. Sondern darum, die Menschen zu verunsichern. So war im Flyer auch zu lesen: «Durch den hohen Anteil an Muslimen bei den Migrant*innen, werden wir schon bald den Islam als Religion des Friedens bei uns begrüssen dürfen.»
Der Flyer rief die Leserinnen und Leser dazu auf, sich mit ihrem Feedback bei der Gemeindeverwaltung zu melden. Per Telefon, E-Mail oder gleich mit einem «persönlichen Besuch». Die Aktion sorgte in Arth für Unruhe. Im April bekannte sich die «Junge Tat» dazu, ihn verfasst zu haben. Die Flyer seien Teil ihrer Kampagne «Vision Remigration».
Zu dieser Kampagne gehören auch andere Störaktionen im Zusammenhang mit dem geplanten Bundesasylzentrum in Buosingen. So kaperten Anhänger der «Jungen Tat» im April eine Informationsveranstaltung der Gemeinde Arth und des Staatssekretariats für Migration (SEM).
Der Anlass war eigentlich zur Klärung von Fragen aus der lokalen Bevölkerung vorgesehen gewesen. Doch mitten in der Veranstaltung lief gemäss Schilderungen vom Bote der Urschweiz ein junger Mann nach vorne, zur SEM-Vorsteherin Christine Schraner Burgener, und überreichte ihr einen «Pokal». Genauer: Einen Gesslerhut.
Diese Geste könnte man als Anspielung auf die Legende von Wilhelm Tell verstehen. In Friedrich Schillers Erzählung zwingt der Habsburger Vogt Gessler das Volk dazu, seinen aufgestellten Hut zu grüssen. Ähnliche Aktionen gab es auch unter den Nationalsozialisten. So liess der SA-Kommandeur Hermann Göring im Konzentrationslager Dachau eine Art Gesslerhut errichten, dem Häftlinge beim Vorbeimarschieren mit dem Hitlergruss salutieren mussten.
Den meisten Leuten an der Infoveranstaltung wird diese Verbindung wohl nicht klar gewesen sein. Ebenso wenig, dass gerade Mitglieder einer Gruppierung das Wort ergriffen, die es im jüngsten Sicherheitsbericht des Bundes in die Kategorie «Rechtsextremismus» geschafft hat. Die Anhänger der «Jungen Tat» ernteten für ihre Aktion Applaus und Gejohle.
Kein Kommentar von Schwander und SVP
Dass die «Junge Tat» die Demonstration des «Aktionsbündnis Urkantone» am Samstag unterwandern würde, darauf hätte man also kommen können. Auf ihrem Instagram-Kanal distanziert sich das «Aktionsbündnis Urkantone» jedoch nicht von den Rechtsextremen. Stattdessen postete es feierlich einen Zusammenschnitt aus Bildern und Videos der Demonstration.
Auf diesen zu sehen sind eindeutig auch die Transparente der «Jungen Tat», die «Remigration» fordern, sowie SVP-Nationalrat Pirmin Schwander, wie er auf der Bühne ins Mikrofon spricht.
Die Watson-Redaktion hat sowohl Schwander als auch Nationalrat Roman Bürgi, der die SVP Schwyz präsidiert, mit der Frage konfrontiert, weshalb ein Schwyzer SVP-Ständerat an einer Kundgebung teilnimmt, an der er Seite an Seite mit Rechtsextremen demonstriert. Bis Redaktionsschluss hat keiner der beiden dazu Stellung genommen.
Roman Bürgi hat in der Vergangenheit allerdings Sympathie mit der «Jungen Tat» geäussert. Im Mai sagte er gegenüber SRF, dass er es «lustig» gefunden habe, dass die «Junge Tat» die Infoveranstaltung der Gemeinde Arth im April gestört habe. Weiter sagte er wörtlich: «Ich fand das eine gute Sache. Es ist eine Auflockerung in dieser ernsten Veranstaltung. Es hat in diesem Moment keiner gewusst, wer da spricht.» Nach Kritik krebste Bürgi zurück und betonte, dass das Wort «Remigration» nicht in seinem Wortschatz existiere.
Auch den SVP-Präsidenten und Schwyzer Nationalrat Marcel Dettling hat die Watson-Redaktion um eine Stellungnahme gebeten, bis Redaktionsschluss allerdings nicht erhalten. Im März hat er sich allerdings bereits klar von der «Jungen Tat» und deren Forderung nach «Remigration» distanziert. Zu 20 Minuten sagte Dettling: «Den Begriff Remigration verwende ich nicht und er hat keinen Platz in unserem Programm.»
Anlass für dieses Statement war damals ein Video, das das «Aktionsbündnis Urkantone» auf Instagram teilte, um abermals gegen das geplanten Bundesasylzentrum in Buosingen zu mobilisieren. Darin zu sehen ist unter anderem ein Plakat, auf dem zu lesen ist: «Wir fordern Remigration. Nein zum Bundesasylzentrum.» In demselben Video kommt ein Schwyzer SVP-Mitglied sehr prominent vor: Patrick Aschwanden, Gemeinderat von Lauerz.
In die linke Ecke des Videos hat das «Aktionsbündnis Urkantone» zudem das Parteilogo der SVP eingefügt. Ganz zum Missfallen Dettlings: «Das Parteilogo im entsprechenden Video wurde ohne Bewilligung gebraucht, davon distanziere ich mich.» Das Video samt SVP-Parteilogo findet sich allerdings nach wie vor auf dem Instagram-Profil des «Aktionsbündnis Urkantone».