Überblick

So haben sich die ukrainischen Geflüchteten in den Gastfamilien eingelebt

11.07.2022, 13:40 Uhr
· Online seit 11.07.2022, 08:14 Uhr
Rund vier Monate sind vergangen seit Beginn des Ukraine-Krieges. Wie haben sich die Schutzsuchenden in der Region eingelebt und wie funktioniert das Zusammenleben mit den Gastfamilien? Wir haben bei den zuständigen Stellen in der Zentralschweiz nachgefragt.
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Es ist eine herausfordernde Situation für Behörden, Gastfamilien und für die Geflüchteten selbst. «Eine Unterbringung in Gastfamilien ist anspruchsvoll für alle Seiten», schreibt Carmen Beyer, Mitarbeitende vom Gastfamilienprojekt der Caritas Luzern auf Anfrage von PilatusToday und Tele 1. Seit Anfang April betreut die Organisation die Gastfamilien im engen Austausch mit dem kantonalen Sozialamt Zug.

Es treffen zwei verschiedene Länder mit unterschiedlichen Kulturen aufeinander. «Hinzu kommt die belastende Situation der Geflüchteten, die zum Teil Traumas mit sich bringen.» Auch die Sprachbarriere gestalte sich teils schwierig. «Für die Gastfamilien war es zu Beginn beschwerlich, einen Ansprechpartner für behördliche Fragen zu finden, da neue Strukturen erst aufgebaut oder aufgestockt werden mussten.» Inzwischen stünden den Gastfamilien aber gut funktionierende Informationskanäle zur Verfügung.»

Doch wie hat sich die Situation nach rund vier Monaten entwickelt? Hier eine Übersicht:

Kanton Obwalden

Im Kanton Obwalden leben aktuell 160 Geflüchtete aus der Ukraine in Gastfamilien. Fünf Personen haben mittlerweile die Gastfamilie gewechselt, wie der Kanton auf Anfrage mitteilte. Die Rückmeldungen der Gastgeber sowie der Schutzsuchenden seien grösstenteils positiv. Trotzdem gebe es gewisse Unstimmigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten. Hierfür habe der Kanton Obwalden seit Mitte Juni von Fachpersonen begleitete Gesprächsstunden für Gastfamilien und Schutzsuchende organisiert.

Zurzeit seien im Kanton Obwalden noch 100 Betten in Gastfamilien und 80 Betten in der kantonalen Unterbringung frei, wie der Kanton mitteilt. Zehn Geflüchtete aus der Ukraine haben sich mittlerweile definitiv abgemeldet und sind zurück in ihr Heimatland gereist.

Kanton Luzern

Ende Juni wurden rund 950 Schutzsuchende aus der Ukraine in Gastfamilien untergebracht, 1350 in kantonalen Unterbringungen. Die beiden Unterbringungsorte hielten sich lange die Waage. Aktuell leben aber mehr Personen in kantonalen Unterbringungen, wie der Kanton Luzern auf Anfrage mitteilte. Grund dafür ist zum Beispiel, dass viele Gastfamilien die Geflüchteten nicht für eine längere Zeit aufnehmen können. Oftmals seien die Familien mit der Situation überfordert und die Schutzsuchenden mit den Platzverhältnissen unzufrieden.

Ukrainische Modedesignerin zeigt ihre Kleidungsstücke in Luzern

Quelle: Tele 1

Die ukrainische Modedesignerin Lubava Sokol beispielsweise musste wegen des Kriegs flüchten und ihre Kollektion im Atelier zurücklassen. Nun konnte sie Teile davon in der Stadt Luzern zeigen – dank einer Luzerner Boutiquebesitzerin.

Aktuell erhält der Kanton Luzern praktisch keine weiteren Angebote von Gastfamilien, die Schutzsuchende bei sich aufnehmen. Derzeit reiche das Angebot aber aus, so der Kanton.

Nicht nur positive Beispiele im Kanton Luzern

Quelle: PilatusToday/Andreas Wolf

Kanton Uri

Der Anteil von Schutzsuchenden, die im Kanton Uri in Gastfamilien wohnen, sei generell tief im Vergleich zu den anderen Kantonen. Nur rund ein Dutzend der 206 Ukrainerinnen und Ukrainer leben in Gastfamilien, heisst es beim Kanton. Keiner dieser zwölf Personen habe die Gastfamilie bis anhin gewechselt. «Nach Monaten des Zusammenlebens macht sich jedoch der Alltag breit, was gelegentlich zu Klärungsbedarf führt», so der Kanton.

Im Kanton Uri gibt es aktuell noch 80 freie Plätze, weitere 60 Plätze stehen in Abklärung.

Kanton Zug

Ende Juni lebten im Kanton Zug rund 580 Schutzsuchende in Gastfamilien. Es seien so viele wie nie zuvor, sagt Carmen Beyer von der Caritas. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs hätten sich viele Flüchtende selbstständig über private Kanäle bei Gastfamilien angemeldet.

Die Rückmeldungen der Gastfamilien seien mehrheitlich positiv. Zwar gebe es zum Teil Unstimmigkeiten wie zum Beispiel unterschiedliche Erwartungen in Bezug auf das Zusammenleben, kulturelle Unterschiede oder auch die belastende Situation der Geflüchteten. Bisher hätten sich aber keine Schutzsuchenden bei der Caritas Luzern gemeldet, die eine Neuplatzierung wünschen. 16 Personen haben sich beim Kanton abgemeldet, da sie auf eigenen Wunsch zurück in die Ukraine wollten.

Kanton Nidwalden

Rund 300 Schutzsuchende aus der Ukraine wurden dem Kanton Nidwalden bisher zugewiesen, die Hälfte davon wohnt in Gastfamilien. Per Ende Juni haben rund 70 Gastgeber Schutzsuchende bei sich aufgenommen. Diese Zahl sei seit Längerem etwa gleich geblieben, wie es beim Kanton Nidwalden heisst. Denn aktuell werden dem Kanton kaum noch Schutzsuchende zugewiesen.

Grossmehrheitlich funktioniere das Zusammenleben zwischen Gastfamilien und Schutzsuchenden sehr gut. «Dass es in einzelnen Fällen aus verschiedenen Gründen nicht harmoniert und eine andere Wohnlösung gesucht werden muss, kann vorkommen und ist in dieser Situation nachvollziehbar», sagt Oliver Mattmann, Kommunikations- und Informationsbeauftragter des Kantons Nidwalden.

Für viele Flüchtende wurde notfallmässig eine Bleibe gesucht, ein richtiges Kennenlernen sei nicht möglich gewesen. Zudem sei es vorgekommen, dass der Aufwand und die Auswirkungen auf das eigene Zusammenleben in ein paar Fällen unterschätzt worden sei.

In Nidwalden seien sechs Personen aus eigener Entscheidung zurück in die Ukraine gereist. Vier Schutzsuchende seien zwischenzeitlich in einen anderen Kanton umgesiedelt. Dies meistens, weil sie dort Verwandte oder Bekannte haben.

Kanton Schwyz

Im Kanton Schwyz leben 70 Prozent der Schutzsuchenden in Gastfamilien, wie das Amt für Migration auf Anfrage von PilatusToday und Tele 1 schreibt. Wie viele Geflüchtete aus der Ukraine sich im Kanton aufhalten, wisse das Amt nicht. Auch weitere Angaben konnten die zuständigen Stellen nicht geben.

veröffentlicht: 11. Juli 2022 08:14
aktualisiert: 11. Juli 2022 13:40
Quelle: PilatusToday

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