Obdachlosen-Serie – Teil 3

Soll ich Geld geben? So erhalten Obdachlose in der Zentralschweiz Hilfe

· Online seit 25.12.2022, 12:53 Uhr
Gemeinsam für Menschen in Not: Vereine wie die Gassenarbeit in Luzern und «Ein Bett für Obdachlose» in Zug setzen sich für Obdachlose in der Region ein – mit Essen, Kleidung oder sogar einem Dach über dem Kopf. Um diese Hilfe geht es im dritten und letzten Teil unserer Obdachlosen-Serie.
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Ein warmes Essen, ein paar Münzen oder auch nur ein Lächeln: Hilfe zeigt sich in vielen Facetten. Und auf Hilfe hat jeder und jede in der Schweiz ein Anrecht. Das ist in der Bundesverfassung mit dem Recht auf Hilfe in Notlagen festgehalten. Laut Gesetz hat jeder Anspruch auf Hilfe, Betreuung und auf die Mittel, die ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Dazu gehören Nahrung, Kleidung, medizinische Nothilfe sowie Unterkunft. Letzteres ist gesetzlich jedoch nicht garantiert.

Hilfe beim Sozialdienst

Obdachlose und Personen, denen ein Wohnungsverlust droht, finden beim Sozialdienst ihrer Gemeinde eine Ansprechstelle. In den ländlichen Regionen ist das oft der einzige Ort, Hilfe zu bekommen. In den Städten hingegen stellen sich auch Vereine dem Kampf gegen Obdachlosigkeit – so zum Beispiel der Verein «Ein Bett für Obdachlose» in Zug oder der Verein Kirchliche Gassenarbeit in Luzern.

Ein Bett für Obdachlose

Der Verein «Ein Bett für Obdachlose», kurz EBfO, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Obdachlosen ein Zuhause zu finden. Eine Herkulesaufgabe: «Es ist sehr schwierig, überhaupt Wohnungen zu finden», sagt Klaus Hengslter, Präsident von EBfO.

Das habe nicht nur mit einer eingeschränkten Anzahl an verfügbaren Wohnungen zu tun, sondern auch mit Vorurteilen, erklärt Hengstler weiter. «Aus Angst vor unordentlichen und beschädigten Wohnungen und aus Angst vor den Reaktionen der anderen Bewohner des Hauses ziehen sich Verwaltungen oft zurück.»

Eine Angst, die unbegründet sei – denn die Obdachlosen werden eng begleitet und betreut. Nicht von EBfO selber, sondern von der Gassenarbeit punkto, mit der der Verein zusammenarbeitet. Punkt dieser Betreuung sei unter anderem auch die Instandhaltung der Wohnungen. «Ungefähr einmal pro Woche überprüfen wir die Wohnungen. Wenn es nötig ist, helfen wir mit den Reinigungsarbeiten», erklärt Hengslter. Denn oft müssten die Betroffenen zunächst wieder lernen, was es bedeutet, in einer Wohnung zu leben.

Mit «Housing First» zurück ins Leben

Der Verein operiert unter dem Prinzip «Housing First». Das heisst, den Obdachlosen wird zunächst eine Unterkunft zur Verfügung gestellt und damit eine stabile Wohnsituation garantiert. So können gesundheitliche Belastungen vermindert und die Betroffenen entlastet werden. Denn mit einer Unterkunft sind auch Grundbedürfnisse wie Erholung, Wärme und der Wunsch nach Schutz und Sicherheit besser abgedeckt. Das Ziel ist klar: «Die Obdachlosen sollen wieder einen Einstieg ins Leben finden.»

Ein paar Erfolge kann der Verein bereits verbuchen. «Ein paar haben den Weg zurück in die Berufswelt gefunden und wenige haben inzwischen ihre eigene Wohnung», freut sich Hengslter.

Verein kirchliche Gassenarbeit

«Housing First» ist aber nicht der einzige Ansatz, um zu helfen. Der Verein Kirchliche Gassenarbeit in Luzern geht aktiv auf Betroffene zu und bietet Hilfe an. «Das Team der Aufsuchenden Sozialarbeit schaut nach, wie es den Leuten geht und machen sie auf die verschiedenen Stellen aufmerksam», erklärt Olivia Allemann von der Gassenarbeit Luzern. So finden Obdachlose tagsüber zum Beispiel in der «GasseChuchi» einen Unterschlupf. Dort gibt es nicht nur eine warme Mahlzeit, sondern auch Kleidung, Decken und Schlafsäcke sowie die Möglichkeit zu duschen. Ausserdem: «Eine Ärztin kommt regelmässig vorbei und bietet Sprechstunden an.»

Beim Schalter 20 oder im Paradiesgässli, die wie die «GasseChuchi» Teil vom Verein Kirchliche Gassenarbeit sind, finden Betroffene Antworten zu allen möglichen Fragen rund um Wohnen, Finanzen, Arbeit und Gesundheit. «Dabei vermitteln wir auch medizinische und psychologische Hilfe», so Allemann. Denn das Leben auf der Strasse sei nicht nur physisch hart, es ist auch eine mentale Herausforderung.

Geld geben – ja oder nein?

Gerade deswegen sei es wichtig, wie man den Menschen auf der Strasse begegnet. «Es ist wichtig, den Betroffenen mit Respekt zu begegnen», betont Allemann. Schliesslich gehöre Mut dazu, überhaupt jemanden anzusprechen. «Man muss kein Geld geben, wenn man gefragt wird. Man darf auch Nein sagen. Entscheidend ist aber, wie man den Betroffenen begegnet.»

Aber: Mit Geld oder Gutscheinen für ein Essen in der «GasseChuchi» oder eine Übernachtung in der Notschlafstelle könne geholfen werden. Klar ist: «Die Betroffenen brauchen Geld», erklärt Allemann. «Wenn sie es sich nicht erbetteln können, beschaffen sie es halt auf anderen Wegen.» 

Allemann bestreitet nicht, dass das erbettelte Geld in manchen Fällen auch für Drogen verwendet werde. Allerdings befänden sich die Betroffenen in einer Notlage. «Geld zu geben kann Kriminalität entgegenwirken, selbst wenn es im schlimmsten Fall eine Sucht mitfinanziert.»

veröffentlicht: 25. Dezember 2022 12:53
aktualisiert: 25. Dezember 2022 12:53
Quelle: PilatusToday

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