Russische Staatsfirmen in Zug

Frau Volkswirtschaftsdirektorin, muss der Kanton Zug handeln?

· Online seit 25.02.2022, 20:40 Uhr
Rund 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels wird in der Schweiz abgewickelt. Ein wichtiger Standort ist der Kanton Zug. Dennoch findet die Zuger Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann, dass es nicht die Aufgabe des Kantons sei, symbolische Zeichen gegen das russische Kriegstreiben zu setzen.

Quelle: PilatusToday

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Im Kanton Zug hat unter anderem die Nord Stream 2 AG ihren Hauptsitz. Sie betreibt eine Gaspipeline, die bald russisches Gas durch die Ostsee nach Westeuropa transportieren soll. Auch die Handelsabteilungen der beiden grössten russischen Banken sind in Zug domiziliert. Alle drei Unternehmen gelten als staatsnahe Betriebe. Wir haben mit der Zuger Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann über die Thematik gesprochen.

Die russischen Truppen sind in der ukrainischen Hauptstadt Kiew angekommen. Tausende Personen sind auf der Flucht. Es ist Krieg in Europa. Was löst dies im Menschen Silvia Thalmann aus?

Es löst eine grosse Betroffenheit, Trauer und Unverständnis für die aktuellen Geschehnisse aus. Der Krieg ist sehr nahe. Ich hoffe, dass die Konfliktparteien einen anderen Weg finden, um ihre Differenzen zu bereinigen als denjenigen, den sie eingeschlagen haben.

Was bedeutet der Krieg für Ihre Rolle als Volkswirtschaftsdirektorin des Kantons Zug?

Ganz viel Arbeit. Wir verfolgen das Geschehen in der Volkswirtschaftsdirektion sehr eng. Wir beobachten sowohl die Entwicklungen als auch die Haltung des Bundesrates.

Aus einer Analyse der Schweizer Botschaft in Moskau geht hervor, dass ungefähr 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels über die Schweiz erfolgt. Viele der Unternehmen haben ihren Sitz im Kanton Zug. Sehen Sie sich deshalb in einer besonderen Verantwortung?

Wir haben einen sehr engen Kontakt zu allen Unternehmen, die hier sind. So sind wir nahe an den Unternehmen und deren Bedürfnissen. In dieser speziellen Situation stellt sich die Frage, was wir mit den Firmen machen, die von den Sanktionen betroffen sind oder einen engen Bezug zu Russland haben. Falls diese Fragen haben, sind wir da. Wir beobachten aber auch die Haltung des Bundesrates. Er ist nicht einverstanden mit der militärischen Intervention und möchte nicht, dass die internationalen Sanktionen durch die Schweiz umgangen werden. Beides trägt der Zuger Regierungsrat voll mit.

Es gibt seit Jahren internationale Sanktionen gegen russische Firmen. Wie spürt man diese im Kanton Zug?

Wir haben keine Faktenlage, aufgrund derer wir sagen können, dass man die Sanktionen sofort spürt. Doch man muss davon ausgehen, dass mit dieser veränderten und dramatischen Situation, weltweit Unternehmungen ihre Verbindungen überprüfen und die angeordneten Sanktionen umsetzen werden. Ich bin überzeugt, gewisse Firmen werden sogar strengere firmeninterne Massnahmen erlassen. Dies werden nicht nur die russischen Unternehmen negativ zu spüren bekommen.

Begrüssen Sie, dass der Bundesrat bisher, im Gegensatz zu anderen Ländern, auf strengere Massnahmen verzichtete?

Wir stehen hinter dem Entscheid des Bundesrates. In diesem Zusammenhang gibt es viel zu beachten, auch der Aspekt der Neutralität der Schweiz. Im Moment warten wir auf die Ausarbeitung der Verordnung, die der Bundesrat angekündigt hatte. Danach beurteilen wir als Zuger Regierung, ob wir darin eine Vollzugsaufgabe haben. Im Moment gehe ich nicht davon aus, dass wir als Zuger Regierung eine solche Aufgabe erhalten werden.

Gibt es aus Sicht des Handelsplatzes und des Kantons Zug auch Massnahmen, die es zu verhindern gilt und wird man sich dafür politisch einsetzen?

Ich muss mich etwas wiederholen. In diesen Zusammenhang setzen wir konsequent die Haltung des Bundesrates um. Es ist nicht an uns, irgendetwas zu fordern.

In der Stadt Zug weht die russische Fahne vor dem Hauptsitz von Nord Stream sehr präsent. Die UEFA verzichtet auf die Durchführung des Champions-League Finals in St. Petersburg und der deutsche Fussballclub Schalke 04 verzichtet auf die Trikotwerbung von Gazprom. Hat man im Kanton Zug auch vor, ein symbolisches Zeichen zu setzen?

Nein, ich gehe nicht davon aus, dass es unsere Aufgabe ist, in diesem Bereich symbolisch tätig zu sein. Wirtschaftsförderung und Wirtschaftspflege heisst: Wir setzen Rahmenbedingungen, die für alle gelten. Die Dinge, die wir sicherstellen müssen, sind die Verlässlichkeit und die Offenheit der Behörden. Wir haben nicht die Möglichkeit zu sagen, dass wir russische Unternehmen nicht mehr in Zug haben wollen. Wir haben Handlungsfreiheit, dass sich ein Unternehmen gründen und bei uns im Handelsregister eintragen lässt. Diese Regel müssen wir konsequent einhalten.

Haben Sie keine Angst vor einem Imageverlust?

Image ist immer wieder ein Thema. Wir haben fast 37'000 Eintragungen im Handelsregister. Da wird es Unternehmen geben, die in die Medien gelangen. Natürlich würden wir es begrüssen, wenn wir nie Unternehmen hätten, die in einem negativen Licht dastehen. Aber es ist eine Realität. Es hat niemand ein Interesse an dieser Öffentlichkeit. Die Unternehmen, die gut wirtschaften, erlangen nie diese Aufmerksamkeit.

veröffentlicht: 25. Februar 2022 20:40
aktualisiert: 25. Februar 2022 20:40
Quelle: PilatusToday

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