Kreislauf der Guuggenmusigen

«Die jungen Leute wollen sich nicht binden» – der Kampf um Mitglieder

16.10.2022, 16:35 Uhr
· Online seit 16.10.2022, 16:33 Uhr
Viele Guuggenmusigen haben mit den Vorbereitungen für die Fasnacht bereits begonnen. Doch gewisse haben zu kämpfen, weil sie zum Beispiel nur noch 21 Mitglieder haben und dies erfordert gewisse Massnahmen. Doch es gibt auch Ausnahmen.
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Guuggenmusig, für die einen bedeutet es, die Fasnacht-Tradition mit Freunden leben und eine gute Zeit haben. Für andere klingt dies jedoch nach viel Aufwand: Mindestens einmal in der Woche proben, ein paar Tage basteln und spätestens dann, wenn die Vorfasnacht beginnt, gibt es kein anderes Leben mehr als Fasnacht. Ein toughes Programm, oder? Deshalb haben gewisse Zentralschweizer Guuggenmusigen mit Nachwuchs-Problemen zu kämpfen.

So zum Beispiel die Chyybääderli Guggä aus Altdorf. «Zum Teil können wir die Register nicht komplett besetzen», sagt der Präsident Fabio Sicher. Mit 32 Mitgliedern sei die Grösse im Kanton Uri zwar durchschnittlich, aber: «Ich fände es besser, wenn wir mehr Personen wären.» In diesem Jahr hatte die Urner Guuggenmusig zwei Neumitglieder, musste jedoch fünf Abgänge verkraften.

«Die jungen Leute wollen sich nicht binden»

Noch weniger Mitglieder als die Chyybääderli Guggä hat die Chatzemuisig Buochs und zwar insgesamt 21. Dies war einmal anders. Wie der Präsident Fabian Willeboordse sagt, waren sie früher über 30 Mitglieder. «Die jungen Leute wollen sich nicht binden und möchten spontan abmachen, wohin es am Samstagabend in den Ausgang geht.» Das sei in einer Guuggenmusig nicht (mehr) möglich.

Die Chatzemuisig Buochs probierte Verschiedenes aus, um Mitglieder für sich zu gewinnen. Zum Beispiel schrieben sie alle Personen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren in Buochs an, wirklich viel gebracht hat es aber nicht. «Wir mussten sozialer werden», so Willeboordse.

Damit meint er flexibler sein, mehr Verständnis haben, wenn jemand zum Beispiel des Jobs wegen nicht jeden Samstag an eine Party gehen kann. «Früher sagten wir schneller: ‹Lass es sein, wenn du nicht immer kommen kannst.› Heute ist das nicht mehr so.»

Dies scheint funktioniert zu haben. Die Chatzemuisig hat zwar sechs Abgänge, konnte jedoch wieder genau so viele Neumitglieder an der vergangenen Fasnacht anwerben.

Corona machte Anwerben schwierig

Während der Fasnacht anwerben, dies funktioniere noch immer am besten. Diese Erfahrung hat auch die Guuggenmusig Tröpfeler aus Root gemacht. Wegen Corona hatten sie jedoch eine schwierige Zeit, die Mund zu Mund-Werbung funktionierte nicht mehr.

«Wir waren nur noch 18 Mitglieder, es sah düster für uns aus», so der Präsident der Tröpfeler Thomas von Allmen. Obwohl die Fasnacht 2022 zum grössten Teil stattfand, auf dem Land ausgiebig gefeiert wurde und in Luzern Tausende Personen durch die Gassen strömten, entschied sich die Guuggenmusig für die Absage der Fasnacht.

Ein bitterer Tropfen für die Mitglieder, sie blieben jedoch optimistisch. «Wir stellten uns für eine Fasnacht mal auf die andere Seite, waren als Partygäste an der Fasnacht und versuchten so Werbung zu machen.»

Damit hatten die Tröpfeler Erfolg. Mit vollem Stolz sagt von Allmen: «Wir haben zwölf Neumitglieder und sind nun wieder bei unserer normalen Grösse von 30 Mitgliedern.»

Nach Corona fruchtete auch in Inwil das Anwerben während der Fasnacht. So sagt der Präsident der Eibeler Sträggele, Patrick Bühlmann, auf Anfrage: «Wir haben vier Neumitglieder, das ist ein guter Anfang.» Die vergangenen Jahre harzte es bei den Sträggele Eibu, sie hatten eine Generationslücke. «Eine ganze Generation kam nicht in unsere Guuggenmusig, sondern ging in eine andere. Dementsprechend war es schwierig, wieder den Anschluss zur nächsten Generation zu finden.»

Werbung über Social Media 

Hat eine Guuggenmusig eine solche Generationslücke, versuchen sie auf anderen Wegen auf sich aufmerksam zu machen, zum Beispiel über Social Media.

Dies würde jedoch nur zum Teil funktionieren, trotzdem sind alle befragten Guuggemusigen auf den Online-Portalen aktiv. Dies vor allem für die jüngeren Generationen, weil man diese auf Instagram gut erreichen könne.

Gemäss des Präsidenten der Chyybääderli sei es aber zusätzlich wichtig, denn Leuten zu sagen, dass die Guggä nicht nur Aufwand bedeutet. «Der Aufwand ist nicht so gross, wie viele denken. Wir starten erst Ende Oktober, das bedeutet vier Monate Guuggenmusig.» Am Ende sei es ein spassiger Aufwand, man könne seine Freunde wieder sehen und macht gemeinsam Musik.

Schwankungen können auch Vorteile haben  

Mitglieder verloren hat auch die Luzerner Guuggenmusig Födlitätscher. Anders als bei den anderen Vereinen bedauern sie jedoch diesen Abgang nicht besonders. Anstelle von 80 Mitgliedern hat die Guuggenmusig «nur noch» 65 Mitglieder.

«Ein guter und verrückter Haufen», sagt Tambourmajor Joël Gilli. Mit dieser Anzahl Mitglieder sei es besser zu Proben und «die Meute bekomme ich besser in den Griff».

Trotzdem würden die Födlitätscher bemerken, dass die Motivation zum Teil etwas abgenommen hat. «Wir spüren, dass die Mitglieder ihre Prioritäten während Corona anders gesetzt haben. Durch unsere Anwesenheitspflicht von 80% geben wir den Mitgliedern jedoch eine Pflicht bei uns mitzumachen.»

Immer wieder Diskussionen in Bezug auf den Probebesuch zu haben kennt auch die Guuggenmusig F’Ägerer aus Oberägeri. «Wir machten eine Anwesenheitspflicht von 2/3 aller Proben, ansonsten gibt es eine Busse in die Vereinskasse», erklärt der Präsident Samuel Rogenmoser. Mitglieder welche dies nicht erreichen können, haben die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen.

Trotz Bussen-System, welches übrigens fast alle der angefragten Guuggenmusigen in irgendeiner Form eingeführt haben, läuft es bei den F’Ägerer Oberägeri überraschend gut. Aktuell haben sie 48 Mitglieder. «Das ist überdurchschnittlich viel und wir wollen diese Grösse beibehalten», sagt Rogenmoser. Wie er weiter erklärt, müssen sie momentan nicht aktiv Leute anwerben: «In den letzten Jahren konnten wir gleich mehrere grössere Gruppen zu uns holen. Diese schleusten ihre Freunde in die Guuggenmusig und so ergibt sich ein schöner Kreislauf.»

veröffentlicht: 16. Oktober 2022 16:33
aktualisiert: 16. Oktober 2022 16:35
Quelle: PilatusToday

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