Nord-Süd-Achse

Bericht zeigt: Gotthard-Strassentunnel ist schon länger sanierungsbedürftig

13.09.2023, 12:01 Uhr
· Online seit 13.09.2023, 10:18 Uhr
Am Sonntag lösten sich Teile der Zwischendecke beim Nordportal des Gotthard-Strassentunnels. Nun zeigt sich: Bereits 2010 gab es Warnungen über den schlechten Zustand des Baumaterials an der Stelle. Die Prioritäten setzte man aber anders.

Quelle: BRK News / SDA/ CH Media Video Unit / Ramona De Cesaris (Archiv-Video vom 11.9.2023)

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«Wir sind im Berggebiet. Wir sind in einer Umgebung in der Natur, die sich bewegt. Da können solche Ereignisse passieren.» Dies sagte Bundesrat Albert Rösti am Montag in einer Medienkonferenz zur Energiepolitik.

Der Gotthard-Strassentunnel ist seit Sonntagnachmittag in beiden Richtungen gesperrt. Nahe dem nördlichen Tunnelausgang haben sich Betonteile der Zwischendecke gelöst. Ein 25 Meter langer Riss fand sich bei der Bestandsaufnahme, wie das Bundesamt für Strassen Astra mitteilte.

Bundesrat warnte schon 2010 vor Schaden

Doch stimmt das, dass der Schaden einfach so einer Laune der Natur geschuldet ist, wie dies Verkehrsminister Rösti darstellt? Nicht ganz, wie die «Luzerner Zeitung» schreibt. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Gerade jene Zwischendecke wurde früher schon als «teilweise schadhaft» und bald sanierungsbedürftig ausgewiesen. 2010 hielt dies der Bundesrat in einem Bericht fest.

Noch kritischer schätzte er die Situation an den beiden Tunnelportalen ein – genau dort, wo sich am Sonntag Teile von der Decke lösten. Das Baumaterial weise eine «fortgeschrittene Korrosion» und die Tragsicherheit «in diesen Bereichen keine Reserven» mehr auf. Hauptgrund dafür sei die Feuchtigkeit, die in den Wintermonaten in den Tunnel zieht.

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200 Millionen Fahrzeuge ratterten bereits durch

Der Tunnel ist in die Jahre gekommen. 1980 eröffnet, fordert das hohe Verkehrsaufkommen von seither über 200 Millionen Fahrzeuge Tribut. Der Tunnel kann aber erst ab 2029 umfassend saniert werden, wenn die zweite Röhre eröffnet wird. So hat es das Stimmvolk 2016 entschieden.

Der Bundesrat wollte eine Sanierung eigentlich früher. Der Tunnel müsse zwischen 2020 und 2025 umfassend saniert werden, schrieb er 2013 in einem Bericht an das Parlament. Zu diesem Zeitpunkt war der Tunnel schon 40 bis 45 Jahre in Betrieb. Die Regierung hielt zur Eile an. Bis «spätestens 2025» sollten die Sanierungsarbeiten erfolgen: «Ohne diese Massnahmen können die Funktionstüchtigkeit und somit die Sicherheit im Gotthard-Strassentunnel ab 2025 nicht mehr vollumfänglich gewährleistet werden.»

Plötzlich war alles anders

Ende 2015 wendete sich das Blatt unerwartet: Drei Monate vor der Abstimmung über die zweite Gotthardröhre legte das Astra einen neuen Bericht vor. Neue Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich der Zerfall der Zwischendecke durch eine neue Schutzschicht verlangsamen lasse. Auf diese Weise seien keine «umfassenden Sanierungs- oder Ersatzarbeiten bis 2035» notwendig. Im Abstimmungsbüchlein hiess es dann, die «dringenden Reparaturen» könnten während der Nacht ausgeführt werden.

Gegenüber der «Luzerner Zeitung» sagt Sprecher Thomas Rohrbach, der Bericht gelte heute noch. Trotzdem seien die am Sonntag aufgetretenen Schäden «nicht auf den baulichen Zustand des Tunnels» zurückzuführen. Dieser falle wie 80 Prozent aller Nationalstrassentunnels in die Kategorie «gut – mittel – ausreichend» und sei sicher befahrbar.

Der Bund sieht die Ursache des Vorfalls am Sonntag mit grosser Wahrscheinlichkeit bei einer Spannungsumlagerung im Gebirge. «Diese hat zu lokalen Druckveränderungen geführt und den Tunnel im betroffenen Abschnitt belastet», so Rohrbach weiter. Grund dafür könnten die umfangreichen Ausbruchsarbeiten für den Bau der zweiten Röhre sein. Dem Berg werde mit den baulichen Massnahmen «einiges zugemutet», betont das Astra.

(lol)

veröffentlicht: 13. September 2023 10:18
aktualisiert: 13. September 2023 12:01
Quelle: Today-Zentralredaktion

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