Kriminalität

Bettlerinnen verunsichern Reisende in S-Bahnen – Verein warnt vor Clans

21.02.2024, 11:29 Uhr
· Online seit 21.02.2024, 06:01 Uhr
Viele Reisende nerven sich wegen Bettlerinnen in Zügen oder sie sind ratlos. Eine Baslerin spendete ihr letztes Münz – und erhielt eine undankbare Reaktion. Laut einer nationalen Meldestelle steckt oft Zwangsausbeutung dahinter.
Anzeige

Eine Zettel-Bettlerin sorgt etwa in Zürcher S-Bahnen seit längerer Zeit für Ärger. Sie habe keinen Job, keine Unterkunft und ein Kind, steht auf den Zetteln, die sie wortlos auf den Sitzen deponiert.

«Auch schon im Zug zwischen Zürich und Rapperswil gesichtet. Ich habe der Frau gleich gesagt, sie müsse das Kärtchen gar nicht hinlegen, es gebe nichts», schreibt eine Today-Leserin in einem Kommentar.

Ein weiterer Leser berichtet, dies auch schon mehrmals erlebt zu haben. «Habe Formular vor ihren Augen verrissen und gesagt, es sei verboten. Genützt hat es aber nichts.»

«Sie wollte mindestens 20 Franken»

Rentnerin I.H.* sass kürzlich im Zug von Gelterkinden nach Basel, als eine Bettlerin sie um Geld bat. «Sie fragte, ob ich ihr Geld geben könne, das bis Montag reiche», sagt H. zur Today-Redaktion. Darauf habe sie ihr letztes Münz hervorgekramt.

«Doch als ich ihr die vier Franken gab, meinte die Frau, dass das bis Montag nicht reiche. Sie brauche mindestens 20 Franken», sagt H. Die undankbare Reaktion habe sie erstaunt. «Ich antwortete ihr, dass bei mir das Geld auch nicht auf den Bäumen wachse.» Darauf sei die Frau in ein anderes Abteil gewechselt und habe weitere Passagiere angequatscht. Die Tochter der 78-jährigen Rentnerin kocht vor Wut. «Ich hätte ihr meine Spende aus der Hand gerissen!», schrieb sie in einem Kommentar, in dem sie den Vorfall ihrer Mutter schilderte.

«Migrantin in Not? Oder Handlangerin von Betrügern?»

Tauchen Bettlerinnen und Bettler plötzlich in der S-Bahn auf, kämpfen viele Reisende auch mit Ratlosigkeit. Sie habe ein schlechtes Gewisse geplagt, nachdem sie in der S11 von Stadelhofen nach Winterthur Seen einer Zettel-Bettlerin nichts gegeben habe, schreibt eine Leserin. «Eine Migrantin, die vielleicht wirklich in Not ist? Oder eine Handlangerin von Betrügern? Wie unterscheide ich das?» Am Bahnhof Winterthur habe sie ihr deshalb einen Fünflieber in die Hand gedrückt.

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

Der Verein Act 212 erhält von Passantinnen und Passanten regelmässig Meldungen über Bettelnde. In der Schweiz gebe es Zwangsausbeutung in Form von Bettelei, wobei dies nicht auf jede bettelnde Person zutreffe, sagt Geschäftsführerin Irene Hirzel. «Wir raten davon ab, solchen Bettelnden Geld zu geben, da man damit kriminelle Aktivitäten unterstützt.» Bettelnde unter Zwang müssten täglich einen bestimmten Betrag erwirtschaften, weshalb sie manchmal aggressiv aufträten. «In dieser Situation deutet vieles darauf hin, dass sie von einem Clan unter Druck gesetzt werden.»

Hunderttausende Franken fliessen zu Clan

Laut Hirzel ist unter anderem die sogenannte Schuldknechtschaft bei bettelnden Roma verbreitet. Dabei leihen sich Menschen in Armut von Banden Geld. Da sie die Schulden nicht zurückbezahlen können, zwingen die Banden sie in die Bettelei. «Die Bettelnden werden permanent observiert und unter Druck gesetzt.»

Im April stehen ein Ehepaar und dessen Sohn vor dem Genfer Strafgericht. Sie sollen laut «CH Media» bulgarische Staatsangehörige zum Betteln gezwungen und ihnen dabei mehrere 100'000 Franken abgeknöpft haben.

«Viele haben Angst vor Clan»

Manche Clan-Mitglieder machen laut Hirzel regelmässig eine Runde bei ihren Bettelnden und ziehen das Geld ein. Teilweise würden die Bettelnden abends mit Kleinbussen eingesammelt und in Unterkünfte im Ausland gebracht.

Begegnet jemand einer bettelnden Person mit Verdacht auf Zwangsbettelei, rät Hirzel, so schnell wie möglich die Nationale Hotline von Act12 anzurufen. «Dann können wir sofort jemanden vorbeischicken, um abzuklären, ob es sich um ein Opfer von Menschenhandel handelt.» Unternehmen könne man jedoch erst etwas, wenn die Person signalisiere, dass sie sich aus den Fängen der Bande befreien wolle. «Da viele Angst vor dem Clan haben, täuschen sie leider oft vor, dass alles in Ordnung sei.»

*Name der Redaktion bekannt.

veröffentlicht: 21. Februar 2024 06:01
aktualisiert: 21. Februar 2024 11:29
Quelle: ZüriToday

Anzeige
Anzeige
redaktion@pilatustoday.ch