Corona-Taskforce fordert Lockdown: «Massnahmen reichen nicht»
Quelle: PilatusToday
Gerne hätte Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit beim BAG, bessere Nachrichten gehabt: «Die Situation ist nicht die, die wir uns alle wünschen», so Mathys. Die Tendenz der Infektionszahlen zeige nach oben und es gebe keine Anzeichen, dass das Ziel einer raschen und nachhaltigen Abnahme der Fallzahlen erreicht wird.
Blick auf die Schweiz
Die Zahlen in der Westschweiz haben stark abgenommen, trotzdem könne man maximal von einer Stagnation ausgehen, denn der Reproduktionswert sei momentan bei 0,96. In der Zentralschweiz ist die Reproduktionszahl mit 1,2 auf einem hohen Niveau und stellt eine Verdopplung der Infektionen in 14 Tagen in Aussicht. Schweizweit liegt die Reproduktionszahl bei 1,13. Das bedeutet eine Verdoppelung der Fallzahlen in unter einem Monat. Auf eine Verbesserung der Lage würde momentan nichts hinweisen, bestenfalls könne man von einer Stagnation reden.
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Entwicklung Fallzahlen
Die Trendwende, die man vor Weihnachten erreichen wollte, sei nicht eingetreten. Im Gegenteil. Mit einer Verzögerung könne sich bald eine Zunahme in Hospitalisierungen und noch später bei den Todesfällen zeigen, die sich momentan beide bereits auf hohem Niveau befinden. Es brauche jetzt Massnahmen, die zu einem raschen Rückgang der Fallzahlen führen. Mathys betont: «Die Hilferufe aus Spitälern sind ernst zu nehmen», das Personal sei am Limit.
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Vergleich Nachbarländer
Dass die Schweiz kein Musterbeispiel bei der Bewältigung dieser Welle ist, sollte mit Blick auf die Infektionszahlen deutlich sein, sagt Patrick Mathys vom BAG. Im Vergleich mit den Nachbarn weist die Schweiz die schlechtesten Zahlen auf. Dort sind aber auch weitaus strengere Einschränkungen aktiv. Sollte man in der Schweiz nicht auch nachziehen, sei eine weitere Verschlechterung gegenüber den Nachbarländern zu erwarten.
Keine nachhaltige Lösung
Die jetzige Situation ist für das Gesundheitswesen keine langfristige Lösung. Mathys betont, die zentrale Botschaft sei: «Keine Kontakte, keine Ansteckungen.» Dass die Realität nicht so einfach ist, sei man sich bewusst, doch soll jeder versuchen, das Beste zu tun. An Abstandsregeln denken, Hygieneregeln einhalten, Schutzmaske tragen und bei leichtesten Symptomen testen lassen. So könnten alle einen Beitrag dazu leisten, dass die Schweiz gut durch die zweite Welle kommt.
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Intensivbetten funktionieren nicht ohne Personal
Andreas Stettbacher, Delegierter des Bundesrates für den Koordinierten Sanitätsdienst, informiert über die Situation der Akut- und Intensivbetten. In zehn Kantonen sind die zertifizierten Intensivbetten bereits vollständig belegt. Schweizweit sind 57 Prozent der Patienten auf Intensivstationen wegen des Coronavirus hospitalisiert. Obwohl es noch Reserven gibt, brauche es auch Personal, um diese zu betreiben. Doch genau dieses arbeite schon seit Monaten an der Belastungsgrenze und neues Personal könne schlichtweg nicht herbeigezaubert werden.
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Schnelle und einheitliche Massnahmen
«Die letzte Woche gefassten Massnahmen des Bundesrates reichen nicht aus», sagt Martin Ackermann von der wissenschaftlichen Taskforce. Es brauche jetzt umfassendere, schnelle und einheitliche Massnahmen, die von der Bevölkerung verstanden und umgesetzt werden, denn: «Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keine Anzeichen für eine Verbesserung.»
Zu diesem Schluss komme man aus folgenden Gründen:
1. Die Lage in den Spitälern ist ernst. Dringliche Eingriffe müssen teilweise verzögert durchgeführt werden. Auch Personen ohne Corona-Erkrankung leiden darunter. In den Gesundheitseinrichtungen stecken sich immer mehr Leute an.
2. Es bleibt keine Zeit. Es müssen einheitliche und verständliche Massnahmen eingeführt werden, um eine bessere Einhaltung der Bevölkerung zu garantieren. Die Festtage bergen wegen den vermehrten Kontakten und kaltem Wetter ein erhöhtes Risiko.
3. Das Virus kennt keine Kantonsgrenzen. Erst wenn schweizweit eine Reproduktionszahl von unter eins erreicht wird, sei mit einer Erholung zu rechnen.
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Gesundheitssystem am Anschlag
Auch die Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte unterstützt diese Ansicht, so Präsident und Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri. Die Lage in den Spitälern sei anhaltend belastend und weitere Einschränkungen und Massnahmen seien bei der zu beobachtenden Entwicklung nicht zu vermeiden. «Die Belastung des Gesamtsystems ist hoch und gibt Anlass zur Frage, wie leistungsfähig es noch ist. Patienten mit schweren Verletzungen können nicht mehr leicht untergebracht werden, stellen die Rettungsteams fest», so Hauri.
Impfstart für Jahresbeginn geplant
Die Impfungen sollen beginnen, sobald der Impfstoff bei den Kantonen ankommt. Man erwartet, schon früh im Jahr 2021 die ersten Personen impfen zu können. Bei der Impfung werde man elektronisch registriert und dann zur zweiten Impfung aufgefordert, informiert Hauri. Man arbeite mit Vollgas daran, die Impfzentren einzurichten. Später sollen auch Ärzte und Apotheken die Möglichkeit haben, Impfungen anzubieten.
Auch Wirtschaft fordert strengere Massnahmen
Nachdem sich die Wirtschaft nach dem dramatischen Absturz im Frühjahr wieder etwas erholen konnte, bringt die zweite Welle das Wachstum wieder zum Stehen. Dass man jetzt auf Umsatz verzichten muss, soll als Investition gesehen werden, denn je schneller das Virus unter Kontrolle gerät, desto früher kann sich die Wirtschaft wieder erholen, so Eric Scheidegger, Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO.