Abstimmung

«Fertig mit Klientelpolitik»: Linke feiert Überraschungssieg und mahnt

27.09.2020, 17:23 Uhr
· Online seit 27.09.2020, 17:23 Uhr
SP, Grüne und Gewerkschaften feiern mit dem Nein zur Erhöhung der Kinderabzüge einen Überraschungssieg. Sie sehen den Entscheid des Stimmvolks als Fanal für die Steuerpolitik der bürgerlichen Parteien.
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Bei den Bundessteuern gibt es keine höheren Kinderabzüge: Das Stimmvolk hat am Sonntag deutlich Nein gesagt zu einer entsprechenden Vorlage des Bundesparlaments. Der Überraschungssieg geht an SP, Grüne und Gewerkschaften. Und diese drohten gleich mit weiteren Referenden. Denn sie interpretieren den Sieg als generelles Misstrauen gegenüber der bürgerlichen Steuerpolitik. «Das Nein zum Kinderabzug-Bschiss ist ein deutliches Signal an die Bürgerlichen», schreibt etwa die SP am Sonntag in einer Mitteilung. «Nun ist fertig mit der asozialen Klientel- und Abbaupolitik!»

Für die Sozialdemokraten ist damit auch klar, dass der «bürgerliche Schulterschluss» mit der abgelehnten Vorlage vom Sonntag nun definitiv gescheitert sei. Die Partei verweist in ihrer Mitteilung dazu auf weitere Wirtschaftsvorlagen, welche die Bürgerlichen bereits in der Pipeline hätten. Als Beispiele erwähnt die SP die Abschaffung von Stempelsteuer und Industriezöllen, die Reform der Verrechnungssteuer oder die Senkung der Mehrwertsteuer auf Treibstoffe. Aber auch die Abschaffung der «Heiratsstrafe» und die Reform des Eigenmietwerts gehöre dazu.

Gewerbeverband kritisiert «ideologische» Politik

All diesen Vorlagen sei gemein, dass Versicherungen, Grosskonzerne und Immobilienbesitzer profitierten, während Arbeitende dafür bezahlen müssten. Mit der Abstimmung vom Sonntag ist laut SP denn auch deutlich geworden, dass die Bevölkerung keine bürgerliche Steuerpolitik wolle. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) stösst in das gleiche Horn: «Die Ablehnung dieser Steuersenkung für die höchsten Einkommen zeigt: sozial ungerechte Projekte können in einer Volksabstimmung nur scheitern», wird SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard in einer Mitteilung zitiert.

Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) dagegen spricht in einer Medienmitteilung von einer «Verhinderungs- und Neidpolitik». Gescheitert sei nun eine Vorlage, die eindeutige Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gebracht hätte. SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler hat den Gegnern der Vorlage denn auch in einem Interview mit Radio SRF vorgeworfen, aus «rein ideologischen Gründen» gehandelt zu haben. Und weiter kritisierte der Gewerbedirektor, dass sich der Bundesrat «nur halbherzig» für die Vorlage eingesetzt habe. So fordert der SGV von der Landesregierung nun «rasch Lösungsansätze zur Individualbesteuerung, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf endlich spürbar erhöht wird.» Die Mittelstandsfamilien müssten endlich entlastet werden.

SP und Grüne sind offen für neue Vorlage

Das «liberale Nein-Komitee» zur Steuersenkungsvorlage, dem die Nationalrätinnen Kathrin Bertschy (GLP/BE) und Christa Markwalder (FDP/BE) angehören, zeigte sich am Sonntag erfreut über den Ausgang der Abstimmung. Nun müsse Markwalders parlamentarische Initiative umgesetzt werden. Diese fordert eine Rückkehr zu der ursprünglichen Vorlage des Bundesrats. Diese sah vor, bei der Bundessteuer nur den Abzug für die externe Kinderbetreuung zu erhöhen. Für Familien, die ihre Kinde selbst betreuen, gäbe keine Steuererleichterung.

Auf Unterstützung darf das «liberale Nein-Komitee» dabei auf jeden Fall von den Links-Grün zählen. Gegenüber dem Fernsehsender SRF 1 hatte SP-Vizepräsident Beat Jans am Sonntag denn auch bereits erklärt, er sei für eine Erhöhung der Abzüge für die externe Kinderbetreuung. Diesen Vorschlag hatten SP und Grüne denn auch bereits in der ursprünglichen Vorlage mitgetragen. (sat/wap/red.)

veröffentlicht: 27. September 2020 17:23
aktualisiert: 27. September 2020 17:23
Quelle: PilatusToday / CH Media

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