Das Abstimmungsresultat war schliesslich deutlich: Mit 140 zu 50 Stimmen bei 1 Enthaltung lehnte der Nationalrat die Diskussion zur Vorlage zur Ausweitung der Referendumspflicht ab. Alle Fraktionen, ausser die SVP, wollten nicht auf die Vorlage eintreten.
«Quadraturen des Kreises haben es an sich, dass sie nicht gelöst werden können», zitierte Mitte-Fraktionspräsident Gerhard Pfister (ZG) den irischen Schriftsteller Samuel Beckett. Mit dem Vorschlag von Ständerat und Bundesrat, der definiert, welche Verträge Verfassungsrang haben, sei die vorberatende Kommission nicht einverstanden.
Justizministerin Karin Keller-Sutter erinnerte daran, dass der Bundesrat mit der Vorlage eine Motion des Parlaments umsetze. Der Bundesrat sei der Auffassung, dass völkerrechtliche Verträge Volk und Ständen vorgelegt werden sollten, «wie dies bei jeder Änderung der Bundesverfassung der Fall sei», sagte sie.
In der politischen Praxis gilt der Grundsatz des obligatorischen Referendums für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter bereits heute. Nach breiter Auffassung ist das obligatorische Referendum Teil des «ungeschriebenen» Verfassungsrechts. «Diese Praxis ist aber ganz konkret nur auf wenige Verträge angewendet worden», sagte Keller-Sutter.
Eine Frage der Definition
Konkret schlug der Bundesrat vor, dass die folgenden Kriterien für ein obligatorisches Referendum gelten sollen: Bestimmungen von Verfassungsrang, die die Grundrechte, Bürgerrechte oder politischen Rechte betreffen, die Finanzordnung oder die Organisation oder Zuständigkeiten der Bundesbehörden. Der Ständerat änderte die Vorlage ab und wollte auch Verträge, die das Verhältnis von Bund und Kantonen regeln, dem obligatorischen Referendum unterstellen.
Gregor Rutz (SVP/ZH) sprach sich mit einem Minderheitsantrag für ein Eintreten auf die Vorlage aus. Es gehe nicht um einen Paradigmenwechsel, sondern um die Frage, wie man weiter vorgehen wolle, sagte Rutz. «Die Spielregeln müssen klar sein und die Mitspracherechte müssen gestärkt werden.» Die Mehrheit der neuen Bundesrechte gehe auf internationale Verträge zurück. «Deshalb ist diese Regelung von bedeutender Relevanz.»
«Die heutige Praxis funktioniert», sagte hingegen SP-Nationalrätin Samira Marti (BL) für ihre Fraktion. Faktisch würde die Vorlage vor allem eine Zustimmung der Kantone für menschenrechtliche Verträge bedingen. «Die Kantone sollen aber bei Verträgen wie der Kinderrechtskonvention kein Veto-Recht haben», sagte Marti. Die Hürden für eine Stärkung der Menschenrechte würden mit der Bedingung des Ständemehrs nur erhöht.
Marianne Streiff-Feller (Mitte/BE) erklärte, dass in den letzten hundert Jahren gerade einmal drei Verträge dem obligatorischen Referendum unterstellt worden seien. Der Handlungsbedarf sei nicht gross. «Der Entscheid über das Referendum ist und bleibt ein politischer Entscheid», sagte sie. Fällen müsse ihn das Parlament.
«So einfach wie es auf den ersten Blick scheint, ist es nicht bei diesem Geschäft», sagte Irène Kälin (Grüne/AG). Die Ausgangslage bleibe dieselbe - mit oder ohne diese Änderung. Mit einem «Automatismus» könne man nicht klären, welche Verträge Verfassungscharakter haben.
Kurt Fluri (FDP/SO) erklärte, seine Fraktion sei der Auffassung, dass die Vorlage zu wenig präzise sei. Und Tiana Angelina Moser (GLP/ZH) sah weder Handlungsbedarf noch eine Lösung in der Vorlage.
Volksmehr und Ständemehr
In der Schweiz gilt für die meisten völkerrechtlichen Verträge das fakultative Referendum. Wenn innerhalb von 100 Tagen 50'000 gültige Unterschriften gegen den Vertrag bei der Bundeskanzlei eingereicht werden, kommt der Vertrag zur Abstimmung. Der Vertrag ist mit dem Volksmehr angenommen.
Beim obligatorischen Referendum wird ein Vertrag hingegen automatisch Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet. In der Bundesverfassung ist festgehalten, dass Verträge, die einen Beitritt der Schweiz zu einer supranationalen Organisation bedeuten, wie etwa der EU-Beitritt, oder den Beitritt zu einer Organisation der kollektiven Sicherheit wie der Nato, dem obligatorischen Referendum unterliegen. Diese Regelung kam etwa beim Uno-Beitritt der Schweiz 1997 zum Zug.
Das Geschäft geht nun zurück an den Ständerat. Der Ständerat stimmte in der vergangenen Herbstsession mit 27 zu 12 Stimmen der Verfassungsänderung zu.