Freiwilligenarbeit

Schweizer Konzertveranstalter verärgert Gastroszene

01.07.2023, 11:03 Uhr
· Online seit 30.06.2023, 10:09 Uhr
Für mehrere Konzerte in Bern sucht der Eventveranstalter Gadget Abc Entertainment nach tatkräftiger Unterstützung an den Bars auf dem Konzertgelände. Die angebotene Entschädigung sorgt bei der Unia und Mitarbeitenden in der Gastronomie für Kopfschütteln.
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Für den Konzertsommer in Bern sucht der Eventveranstalter Gadget via Lifestyle-Plattform RonOrp und auf diversen Gastroportalen Aushilfen für die Bars an den Events.

Die Anforderungen sind, dass man keine körperlichen Beschwerden hat, mindestens 18 Jahre alt ist und im besten Fall Erfahrung in der Gastronomie mitbringt. Für den Einsatz werden eine kleine Verpflegung zugesichert, ein Crew-T-Shirt, das während der Schicht getragen werden muss, sowie eine Entschädigung von 80 Franken. Die Einsatzzeit wird von 15 Uhr bis 00.30 Uhr angegeben.

Unia hält Vorgehen für «nicht zulässig»

Fragt man bei Personen aus der Gastronomie nach, heisst es als Erstes: «What the Fuck». So zum Beispiel bei Tanja, Service-Angestellte und Somelière. Für Sandra, die für die Planung und das Akquirieren von Personal für Festivals zuständig ist, wären diese Konditionen «untragbar».

Die 80 Franken beschreibt sie als «absolute Frechheit». «Das wären dann ja 8.40 Franken pro Stunde», rechnet sie. Besonders enttäuschend sei, dass sich eine so grosse Nummer im Schweizer Konzertbusiness eine derartige Entschädigung erlaube.

In der Gastronomie gilt seit dem 1. Januar 2023 ein Mindestlohn von rund 21 Franken pro Stunde. Dieser kann je nach Ausbildungsstand variieren. «Das ist so nicht zulässig», sagt Philipp Zimmermann, Mediensprecher der Unia gegenüber der Today-Redaktion zu dem Inserat.

«Bedauern das Missverständnis»

Mit den Vorwürfen konfrontiert, antwortet Gadget, dass man den Begriff Entlöhnung «mehr als unglücklich» verwendet habe. «Dass dies zu Missverständnissen führen kann, ist ärgerlich, und wir bedauern diesen Fehler. Die Falschformulierung ist zwischenzeitlich behoben», erklärt das Unternehmen.

Es sei so der falsche Eindruck entstanden, dass es sich um ein «arbeitsvertragrechtliches Verhältnis» handle, was nicht der Fall sei. «Die ausgeschriebenen Funktionen richten sich an Freiwillige, so genannte ‹Volunteers›», erklären die Verantwortlichen.

In seiner Stellungnahme schreibt der Veranstalter weiter: «Wie auch zahlreiche andere Betriebe und Vereine in Sport, Kultur und Soziales, setzt auch Gadget Abc auf die Mithilfe von Freiwilligen, so wie es auch Gemeinden und Städte tun.»

Blick hinter die Kulissen

«Beim OpenAir St.Gallen, welches dieses Wochenende stattfindet, sind knapp 4000 Freiwillige in verschiedenen Bereichen im Einsatz. Sie involvieren sich mit viel Herzblut und leisten ein unverzichtbares Engagement. Ihre Aufgaben meistern sie mit viel Begeisterung. Seit über 40 Jahren tragen Freiwillige zum guten Gelingen von Schweizer Festivals bei», erklärt das Unternehmen weiter zur Freiwilligenarbeit.

Der Konzertveranstalter sagt, dass Grossanlässe ohne die Volunteers kaum durchführbar wären. Zum vergüteten Betrag schreibt Gadget: «Für die freiwilligen Helferinnen und Helfer bedeutet dies, dass sie ausserhalb ihres Einsatzes ein Konzert oder ein Festival ohne Eintrittsticket miterleben können und ein einzigartiges Erlebnis mit Blick hinter die Kulissen bekommen.»

Auf die Lohnfrage angesprochen, schreibt Gadget: «Selbstverständlich bezahlt Gadget Abc den Mitarbeitenden, die in einem arbeitsvertragrechtlichen Verhältnis angestellt sind, und Lieferantinnen und Lieferanten die marktüblichen Löhne und Honorare.»

Gewerkschaft lässt Argument nicht gelten

Bei den Volunteers aber handelt es sich laut dem Konzertveranstalter um eine Pauschale und nicht um einen Stundenlohn, die Gadget Abc aufgrund der vielen Anlässe in Bern in diesem Sommer den Freiwilligen anbietet, um neben den anderen beliebten Vorteilen wie Freigetränke, T-Shirts und Crew Party, besonders attraktiv zu sein.

Bei der Unia sieht man das anders. Trotz der Anpassung des Wortlauts im Inserat ändert sich die Haltung der Gewerkschaft nicht. «Der Punkt ist ja gerade, dass Leute für Arbeitseinsätze ordentlich bezahlt werden müssen. Wenn sie in einem Bereich arbeiten, der unter den L-GAV des Gastgewerbes fällt, so muss dieser angewendet werden», erklärt Mediensprecher Philipp Zimmermann.

Diesen Vorwurf will Oliver Rosa, Managing Partner bei der Gadget Abc Entertainment Group, nicht gelten lassen: «Die Unia geht davon aus, dass es bei der Besetzung der ausgeschriebenen Funktionen zu einem Arbeitsverhältnis kommt. Wie bereits geschildert, handelt es sich dabei um Volunteers.»

Die Freiwilligenarbeit sei nicht existenzsichernd und unterliege nicht dem Arbeitsvertragrecht. Rosa: «Volunteers sind auch keine Aushilfen oder Teilzeitmitarbeitende. Insofern erachten wir die Einschätzung der Unia als falsch».

veröffentlicht: 30. Juni 2023 10:09
aktualisiert: 1. Juli 2023 11:03
Quelle: Today-Zentralredaktion

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