Omikron-Welle

Taskforce-Experte: «Innert Wochen könnte das halbe Land erkranken»

02.01.2022, 07:00 Uhr
· Online seit 02.01.2022, 06:12 Uhr
In der Schweiz könnte innert weniger Wochen die halbe Bevölkerung nach Ansicht des Taskforce-Experten Richard Neher am Coronavirus erkranken. 30'000 Fälle pro Tag seien im Januar «denkbar». Damit sei aber auch ein baldiges Ende der Welle möglich.
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Nur schon 20'000 Fälle pro Tag in der Schweiz und eine ebenso hohe Dunkelziffer bedeuteten, dass sich pro Woche rund 3 Prozent der Bevölkerung infizierten, sagte das Mitglied der wissenschaftlichen Corona-Taskforce des Bundes im Interview mit der «SonntagsZeitung».

«Nicht viel Spielraum in den Spitälern»

Zwar sei die Omikron-Variante gemäss ersten Daten aus Grossbritannien und Südafrika etwas milder, sagte der Virenforscher und Biophysiker der Universität Basel. Trotzdem sei die Zahl der Hospitalisierungen nicht unerheblich.

Am 30. Dezember, als der Bund vor Neujahr letztmals aktuelle Zahlen veröffentlichte, betrug die Auslastung der Intensivstationen schweizweit 75,9 Prozent. Allerdings entfiel knapp die Hälfte aller belegten Betten auf Covid-Patienten.

«Die Fallzahlen steigen sehr schnell, und wir haben nicht mehr viel Spielraum in den Spitälern», so der 42-Jährige. Selbst wenn ein kleinerer Bruchteil der Fälle hospitalisiert werde, könnten sehr viele Fälle in kurzer Zeit das System schnell an die Grenze bringen. Wolle man eine grössere Krise in den Spitälern verhindern, müsse die Ausbreitung jetzt gebremst werden.

Als mögliche Massnahmen nannte der Wissenschaftler Beschränkungen von Grossveranstaltungen und für Orte, an denen sich Menschen weiterhin ohne Maske in Innenräumen treffen. Die letzten knapp zwei Jahre hätten gezeigt, dass Kontaktbeschränkungen funktionierten und damit Wellen gebrochen werden könnte, betont Neher.

Cassis: «Bereit mit Zivilschutz oder Armee zu reagieren»

Bundespräsident Ignazio Cassis hingegen sieht vorerst keinen Handlungsbedarf. Kurzfristig müsse eine Überlastung der Intensivstationen verhindert werden, aktuell sei aber deren schweizweite Belegung mit rund 80 Prozent noch zu managen, sagte der Tessiner Bundesrat und Arzt im Interview mit dem «SonntagsBlick».

Die Kapazitäten könnten gesteigert werden, falls dies nötig sei, erklärte Cassis. «Im Moment ist das aber nicht der Fall.» Lokale Engpässe könne es geben, dann komme wie in der ersten Welle die interkantonale Solidarität zum Tragen. «Und wir sind jederzeit bereit, auch mit Bundesmitteln wie dem Zivilschutz oder der Armee darauf zu reagieren.»

Für den obersten Gesundheitsdirektor der Kantone, Lukas Engelberger, sind die nächsten Tage entscheidend. Bis am Mittwoch würden neue Daten vorliegen, die zeigen, in welche Richtung es gehe, wurde der Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz und Basler Regierungsrat in der «SonntagsZeitung» zitiert. Steige die Auslastung der Intensivstationen bis dahin weiter an, werde der Bundesrat nicht darum herumkommen, nächste Woche neue Massnahmen zu beschliessen oder zumindest den Kantonen zur Konsultation vorzulegen.

Wird Omikron unterschätzt?

Taskforce-Vizepräsident Urs Karrer warnte in der «NZZ am Sonntag» davor, Omikron zu unterschätzen. «Unsere grösste Sorge ist aktuell, dass wir im Januar und Februar sehr viele Covid-19-Patientinnen und -Patienten behandeln müssen und dass uns gleichzeitig sehr viel Personal fehlen wird, das selber krank, in Isolation oder in Quarantäne ist.»

Auch die Betreuung kranker oder isolierter Kinder des Personals könnten die Engpässe zusätzlich verschärfen, sagte der Infektiologe am Kantonsspital Winterthur im Interview. Zudem könne es trotz intensivierten Hygienemassnahmen schwierig werden, Omikron-Ansteckungen in den Spitälern und Pflegeheimen zu verhindern.

Omikron-Welle Ende Januar vorbei?

Eine vorsichtig optimistische Prognose zur zukünftigen Lage gab Taskforce-Mitglied Richard Neher ab. Bereits Ende Januar könnte das Gröbste der Omikron-Welle vorüber sein, so der Experte. Dem Virus würden ab einem gewissen Zeitpunkt die Wirte allmählich ausgehen. In Teilen Südafrikas scheine dieser Punkt schon erreicht zu sein.

«Das Virus wird zwar nicht verschwinden und uns sicher auch im nächsten Winter beschäftigen», so Neher weiter. «Aber nicht in dem Ausmass, dass es erneut zu einer Krise kommen wird», prognostiziert Neher.

(sda/red.)

veröffentlicht: 2. Januar 2022 06:12
aktualisiert: 2. Januar 2022 07:00
Quelle: sda

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