Chancengleichheit

Wie bringen wir mehr Frauen in Führungspositionen?

· Online seit 20.11.2023, 09:29 Uhr
Frauen haben in der Arbeitswelt schlechtere Aufstiegschancen. Und das, obwohl sie beispielsweise an den Schweizer Hochschulen inzwischen die Mehrheit bilden. Eine Sozialwissenschaftlerin ordnet die Situation mit der Chancengleichheit in der Schweiz ein und erklärt, was Firmen dagegen unternehmen können.
Céline Stieger
Anzeige

Die Chancengleichheit in der Schweiz hat in den letzten Jahren zugenommen. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass Kinder heutzutage im Durchschnitt ein höheres Bildungsniveau als ihre Eltern erreichen. Eine Studie zeigt, dass mehr als 50 Prozent der zwischen 1986 und 1990 geborenen Frauen und Männern das Bildungsniveau der Eltern übertroffen hat. Untersucht wurden eine halbe Million Bildungsabschlüsse, wie die Zeitungen von CH Media berichten.

Kinder haben inzwischen auch gute Chancen, mehr als ihre Eltern zu verdienen. Sind die Eltern in der höchsten Einkommensschicht, dann landen die Kinder mit grosser Wahrscheinlichkeit im oberen Mittelfeld. Sind die Eltern hingegen in der tiefsten Einkommensschicht, dann landen die Kinder vermutlich im unteren Mittelfeld. Das gilt auch für Migrantenkinder. Sie haben sogar eine höhere Wahrscheinlichkeit als Einheimische, ihre finanzielle Position im Vergleich zu den Eltern zu verbessern.

Warum es noch viel zu tun gibt

Das hört sich fast so an, als wäre die Chancengleichheit in der Schweiz erreicht. Doch eben nur fast. Ein Blick in die Vorlesungssäle der Schweizer Hochschulen zeigt, dass dort inzwischen Frauen die Mehrheit bilden. Der Frauenanteil bei den Eintritten in universitäre Hochschulen liegt bei 51,9 Prozent.

Und trotzdem: «Frauen in Führungspositionen sind noch immer untervertreten», sagt Ines Hartmann, Sozialwissenschaftlerin an der Universität St.Gallen. Männer haben eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit als Frauen, um von ganz unten in der Einkommensverteilung nach ganz oben zu gelangen. Warum das so ist? Frauen haben schlechtere Aufstiegschancen in der Arbeitswelt. Eine Untersuchung im Rahmen des Gender Intelligence Report zeigt, dass nur vier Prozent aller Beförderungen an Mitarbeitende gehen, die weniger als 80 Prozent arbeiten. Und Fakt ist, dass der Anteil an Frauen, die in einem Teilzeitpensum zwischen 50 und 90 Prozent arbeiten, dreimal höher ist als bei den Männern.

Die Lösungsansätze

Nach Ines Hartmann braucht es zwei Ansätze für dieses Problem. Zum einen soll auf der Prozessebene in den Unternehmen dafür gesorgt werden, dass es klare Kriterien für eine Beförderung gibt. Nur so sei ein Vergleich zwischen den Mitarbeitenden möglich. Ebenfalls sei es wichtig, dass nicht eine einzelne Person solche Entscheidungen trifft. «Diese Änderungen sollen helfen, dass wir weniger auf unsere Stereotypen reinfallen», sagt Hartmann.

Zum anderen haben Unternehmen auch auf der persönlichen Ebene anzusetzen. Personen in Entscheidungspositionen sollen auf ihre Muster und Werte sensibilisiert werden. Es ist bewiesen, dass wir Personen, die uns ähnlich sind, sympathischer finden als Personen, die sich von uns unterscheiden. Entscheidet also ein Mann in einer Führungsposition über die Beförderungen, kann dies einen Einfluss haben, dass er eher einen Mann als eine Frau wählt.

Es gibt noch weitere Lösungsansätze. Unternehmen können prüfen, ob es möglich ist, geteilte Führungspositionen einzuführen oder Führung auch in Teilzeitpensen zu ermöglichen. Zudem sei es wichtig, dass auch Mitarbeitende auf die Folgen eines Teilzeitpensums sensibilisiert werden.

Der Blick in die Zukunft

Ines Hartmann erklärt, dass viele Paare heutzutage die Vorstellung haben, dass sie sich die Familienarbeit egalitär aufteilen. Oft ist es aber so, dass sie durch die Rahmenbedingungen (Schulzeiten, Kinderbetreuung, Lohn) dazu gezwungen werden, zu der «traditionellen Rollenverteilung» zurückzukehren. Das zeige sich beispielsweise daran, dass oftmals die Frau ihr Arbeitspensum reduziert, wenn der Mann besser verdient.

«Wenn man das System verbessert, dann verbessert es sich für alle Mitarbeitende», sagt Hartmann. Zum Beispiel werden Männer zurzeit stärker bestraft als Frauen, wenn sie Teilzeit arbeiten. Es sei also allen geholfen, wenn Unternehmen allen Mitarbeitenden die gleichen Aufstiegschancen ermöglichen.

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

veröffentlicht: 20. November 2023 09:29
aktualisiert: 20. November 2023 09:29
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige
redaktion@pilatustoday.ch