Heute vor 21 Jahren

Hitzfeld: «Es war für alle ein Schock»

· Online seit 26.05.2020, 05:20 Uhr
Heute vor 21 Jahren fand in der Champions League der denkwürdige Final Bayern München - Manchester United statt. Der damalige Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld blickt auf die bittere Niederlage zurück.
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Es lief bereits die Nachspielzeit. Die Münchner waren vor 90'000 Zuschauern im Camp Nou in Barcelona in der 6. Minute durch einen Freistoss von Mario Basler in Führung gegangen und standen dem zweiten Treffer deutlich näher als Manchester United dem Ausgleich. In der 79. Minute scheiterte der eingewechselte Mehmet Scholl mit einem Heber am Pfosten, fünf Minuten später prallte ein Fallrückzieher von Carsten Jancker von der Latte zurück. Nichts deutete auf eine Wende hin.

Dann aber überschlugen sich die Ereignisse: Zunächst glich Teddy Sheringham zum 1:1 aus, in der 93. Minute spitzelte Ole Gunnar Solskjaer den Ball nach einem Eckball und Sheringhams Kopfball-Verlängerung unter die Latte. Während Manchester United als erster englischer Verein das Triple bestehend aus dem Gewinn der Champions League, der Meisterschaft und dem FA-Cup feierte, waren die Münchner am Boden zerstört. Sie konnten nicht fassen, was gerade passiert war. Es wäre für die Bayern der erste Triumph in diesem Wettbewerb, der bis 1992 Europacup der Landesmeister hiess, seit 1976 gewesen.

«Es war unfassbar, unglaublich und ein Schock für alle», blickt Ottmar Hitzfeld im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zurück. «Es war eine riesige Enttäuschung, die an mir nagte. Die ganzen Ferien waren versaut.» Hat er sich Vorwürfe gemacht? Beispielsweise wurde kritisiert, dass Routinier Lothar Matthäus in der 80. Minute ausgewechselt wurde. «Nein. Ein Trainer kann sich selbst zerstören, wenn er sich ewig Vorwürfe macht. Das bringt im Fussball nicht viel. Ein Trainer muss immer im Moment entscheiden und tut dies dann aus Überzeugung. Matthäus war damals schon 38 Jahre alt und hatte nicht mehr die Kraft für 90 Minuten. Aber logisch überlegte ich vor- und rückwärts. Es gibt nichts Schlimmeres, als einen Final zu verlieren - und erst recht auf diese Art und Weise.»

Trotz allem schaute Hitzfeld nach der bitteren Niederlage bereits wieder nach vorne. Nach der Partie sagte er zu den Spielern, dass er stolz auf die Mannschaft sei, sie toll gespielt hätte und «wir eine neue Chance kriegen, den Titel zu holen, wenn wir weiterhin diese Leistung abrufen.» Eine Lehre aus 1999 war zudem, dass die Konzentration bis zur letzten Sekunde hoch gehalten werden muss. «Wir fühlten uns damals fast zu sicher, liessen etwas nach», erinnert sich Hitzfeld.

Die angesprochene Chance erhielten die Bayern bereits zwei Jahre später. Im Mai 2001 kehrte das «Glück» doppelt zurück. Zunächst gewannen die Münchner in einem historischen Bundesliga-Finale den Meistertitel - Patrik Andersson sicherte den Münchnern in Hamburg mit einem verwandelten indirekten Freistoss im Strafraum quasi in allerletzter Sekunde den nötigen Punkt und stürzte Schalke ins Elend. Vier Tage später setzten sich die Bayern im Final der Champions League gegen Valencia im Penaltyschiessen durch, wobei Goalie Oliver Kahn drei Elfmeter parierte.

«Das war Wahnsinn», so Hitzfeld. «Die beiden Titel waren quasi voneinander abhängig. Wenn wir nicht deutscher Meister geworden wären, hätten wir viel Häme kassiert, wodurch die Voraussetzungen für den Final der Champions League denkbar ungünstig gewesen wären.» Letzterer Triumph «war für alle Beteiligten im Verein und die Fans enorm wichtig, weil wir zwei Jahre zuvor verloren hatten. Es ging nicht darum, 1999 auszulöschen - das ist nicht möglich -, aber zu bewältigen.» Insofern verspürte Hitzfeld vor dem Endspiel 2001 einen gewaltigen Druck, «schliesslich wollte ich nicht als der Bayern-Trainer in die Annalen gehen, der zweimal hintereinander den Final der Champions League verliert.»

Umso krasser muss für ihn das Penaltyschiessen gewesen sein, oder? «Das sind Erlebnisse, die man selten im Leben hat. In diesem Penaltyschiessen stand extrem viel auf dem Spiel. Dennoch musste ich cool bleiben. Als Trainer darfst du keine Zweifel zeigen.» Gab es überhaupt genügend freiwillige Schützen? «Es war interessant, dass sich mit Lizarazu oder Linke Spieler meldeten, die zuvor nie Penalty schossen. Die Techniker wollten eher nicht.»

veröffentlicht: 26. Mai 2020 05:20
aktualisiert: 26. Mai 2020 05:20
Quelle: sda

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