Nach dem Gesamtweltcup-Sieg

Marco Odermatt im grossen Interview: «Der Erfolg nimmt sehr viel Druck»

23.03.2022, 06:19 Uhr
· Online seit 23.03.2022, 06:06 Uhr
Er ist der Überflieger aus der Zentralschweiz: der Skifahrer Marco Odermatt. Im Interview spricht er über die Schattenseiten seines Ruhmes, die Pläne seiner WG und seine Freundin Stella.
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Der Gesamtweltcup-Sieg ist nun schon ein paar Tage her: Konnte das bereits etwas sacken?

Nein, um das wirklich zu realisieren, hatte ich noch zu wenig Zeit. Es ging nach dem Weltcup-Finale Schlag auf Schlag weiter mit Terminen.

Wie fühlt es sich an?

Sehr schön natürlich. Es ist eine riesige Zufriedenheit in mir drin, dass diese Saison noch so gut gelaufen ist.

Letzte Saison warst du im Gesamtweltcup noch zweiter, nun hast du ihn gewonnen. Kannst du sagen, was den Ausschlag gegeben hat? Bist du athletischer geworden, ist es das Material oder waren die anderen einfach schlechter?

Etwas Spezielles herauszupicken ist schwierig, wahrscheinlich bin ich einfach überall ein bisschen besser geworden. Wir haben an allem gearbeitet und das war jetzt der nächste Schritt.

Im Riesenslalom und Super-G warst du schon immer top, nun ist diese Saison noch die Abfahrt dazugekommen. Nächstes Jahr noch der Slalom?

Nein, definitiv nicht. Die Batterien sind jetzt mit drei Disziplinen schon am Limit. Mehr als drei Disziplinen geht nicht und macht auch keinen Sinn. Am ehesten könnte ich mir noch Kombi vorstellen gegen Saison-Ende, aber das weiss ja niemand, ob es die überhaupt noch gibt oder nicht. Aber Slalom werde ich definitiv nicht fahren.

Du hast diese Saison ja wirklich überall abgeräumt. Welches Ereignis bedeutet dir am meisten?

Etwas herauszupicken ist eigentlich unmöglich. Jeder Sieg, jedes Podest wie Wengen oder Kitzbühel ist speziell. Aber gerade das Gewinnen der grossen Kugel und der Olympia-Titel hat einen besonderen Stellenwert.

Hand aufs Herz: Wie happy bist du, dass die Saison jetzt vorbei ist?

Ja, irgendwann ist dann meistens genug und deshalb bin ich zufrieden, ist diese Saison so gut zu Ende gegangen, dass ich auch gesund geblieben bin. Ferien müssen gerade noch etwas warten. Die nächsten drei Wochen sind schon durchgetaktet. Aber nachher freue ich mich dann auf ein paar erholsame Tage.

Inwiefern hat sich dein Leben mit dem gestiegenen Ruhm verändert?

Das kann ich noch nicht sagen, weil ich noch nicht wirklich gelebt habe unter diesen neuen Bedingungen. Es ging wirklich alles Schlag auf Schlag, plötzlich war da ein Riesenrummel. Aber im Alltag habe ich diese Auswirkungen noch nicht feststellen können.

Du sagst es, es gibt einen grossen Rummel um deine Person. Du hast viele Medien- und Sponsorentermine. Kannst du dir vorstellen, dass das auch mal zu viel wird und du sagst, Skifahren macht so eigentlich gar keinen Spass mehr?

Es ist schon sehr anstrengend. Vor allem sind dies Sachen, die alle noch zusätzlich dazu kommen und du machst die mehr oder weniger in der Freizeit. Man kann ja nicht einfach weniger trainieren, sondern es kommt noch oben drauf.

Hast du schon Schattenseiten des Ruhms entdeckt?

Ja, man hat noch weniger Zeit für sich selbst und weniger Privatsphäre. Früher konnte ich noch in die Stadt etwas trinken gehen und abschalten – das wird schwieriger. Beziehungsweise, man hat dann einfach nicht so seine Ruhe, kann sich nicht ganz erholen.

Hast du das Gefühl, dass du etwas verpasst oder eben nicht machen kannst, weil du Marco Odermatt bist?

Nein, verpassen glaub ich nicht. Ich erlebe sonst schon genügend Sachen, die sonst niemand erlebt. Alles hat Vor- und Nachteile.

Und was kann Marco Odermatt überhaupt nicht gut?

Phuu, wahrscheinlich singen, tanzen, alles mit Rhythmusgefühl. Da gibt es definitiv noch Potenzial.

Quelle: CH Media Video Unit / Silja Hänggi

Du hast diese Saison auch das erste Mal deine Freundin Stella vorgestellt. Wie schwierig ist es, in deiner Position eine Beziehung zu führen?

Ach, ich glaube, da geht es vielen Leuten gleich. Ich kenne mein Leben halt nicht anders, als den ganzen Winter aus der Tasche zu leben und praktisch nie zu Hause zu sein. Aber ich glaube, mit dieser Situation komme ich schon klar.

Ich nehme an, Stella braucht auch ein dickes Fell und viel Vertrauen, wenn du immer unterwegs bist?

Ja sicher, aber ohne Vertrauen funktioniert sowieso keine Beziehung, egal ob man viel oder wenig da ist.

Marco Odermatt, ich stelle jetzt noch eine Behauptung in den Raum: Du ziehst aus deiner WG aus und kaufst dir ein schönes Haus in Ennetbürgen.

Nein, das stimmt so nicht. Aber bei der kleinen WG wird es wohl eine Änderung geben im Frühling.

Wovon hast du als kleiner Junge geträumt?

Uff, das ist schon etwas lange her. Wenn ich das aufs Skifahren beziehe, dann wäre es wohl Adelboden. Ich habe wenn, dann eher davon geträumt, am Rennen in Adelboden mitzufahren, als von Medaillen.

Du warst schon immer ein guter Skifahrer. Was denkst du, hat dich zum Weltbesten gemacht?

Wenn es dafür ein Rezept geben würde, dann gäbe es nicht nur einen Weltbesten, sondern gleich mehrere, auch wenn das nicht geht. Am Schluss muss vieles zusammen passen und es braucht auch noch eine Prise Glück. Was genau der ausschlaggebende Punkt war, weiss ich auch nicht.

Deine Fangemeinde ist in den vergangenen Monaten sehr gewachsen. Du hast auch viele kleine Fans. Was gibst du ihnen für einen Ratschlag?

Das Wichtigste ist, Spass am Skifahren zu haben und die Zeit draussen auf der Piste mit dem Umfeld zu geniessen. Skirennfahrer zu sein ist ein sehr schöner Job.

Du hast mit 24 schon praktisch alles gewonnen. Eigentlich könntest du sagen, dass du jetzt aufhörst. Aber ich nehme an, du hast trotzdem noch ein paar Ziele, die du erreichen willst?

Ja sicher. Ich glaube, wenn man jung und gesund ist und Lust hat, weiter Gas zu geben, gibt es nach wie vor ein paar Sachen, die man erreichen kann. Und auch wenn man mal zuoberst war und gewonnen hat, möchte man nicht wieder Zweiter werden. Ich sehe dies aber relativ entspannt. Sollte ich jetzt nie mehr gewinnen, dann ist das auch okay, denn ich habe ja bereits gewonnen. Der Erfolg nimmt sehr viel Druck.

Du fährst noch an den Schweizer Meisterschaften und dann gibt es ein paar Skitests und dann endlich Ferien. Was hast du geplant?

Stella studiert noch, deshalb werde ich wohl mit den Jungs ein paar Tage weggehen. Aber ich weiss noch nicht, was wie wo wann. Am besten irgendwo hin, wo niemand ein Autogramm möchte.

veröffentlicht: 23. März 2022 06:06
aktualisiert: 23. März 2022 06:19
Quelle: PilatusToday

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