«Ich habe mein Lachen verloren»

Wie Skirennfahrerin Aline Danioth für ihre mentale Gesundheit sorgt

· Online seit 21.11.2021, 11:55 Uhr
Nach dem sportlichen Highlight mit Olympia warten bereits die Olympischen Winterspiele. Doch dieses Jahr stand nicht nur der Sport, sondern auch die Psyche und der Umgang damit im Fokus. Die Urner Skifahrerin Aline Danioth erzählt, wie sie persönlich mit dem Druck umgeht und eine Sportpsychologin erklärt, was dabei wichtig ist.
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Naomi Osaka hat es getan, Simone Biles ebenso und auch Ariella Käslin und Nina Christen haben es gewagt: Sie haben sich getraut, öffentlich über ihre psychischen Probleme zu sprechen. Doch warum ist es als Spitzensportlerin ein Tabu?

Dr. Katharina Albertin, Fachpsychologin für Sportpsychologie und eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin, erklärt es so: «Spitzensportlerinnen und Spitzensportler werden als stark und erfolgreich angesehen. Das sind die Ansprüche der Gesellschaft an sie. Wenn ich also zugebe, dass ich ein Problem habe, bin ich zu schwach für den Spitzensport.» Dass sich aber immer mehr Sportlerinnen und Sportlerinnen trauen, über den immensen Leistungsdruck, psychische Probleme und Depressionen zu sprechen, kann für andere Betroffene befreiend wirken. Albertin nennt es «Empowerment für andere». Es ist in Zeiten von #MeToo und den Magglinger-Protokollen auch «normaler geworden, über Probleme zu reden und Tabus zu brechen». Dass man Probleme offen legt und darüber spricht, werde heutzutage eher akzeptiert und sogar als Stärke ausgelegt, so Albertin, die der Swiss Association of Sport Psychology (SASP) als Präsidentin vorsteht.

Auch seien Spitzensportlerinnen und Spitzensportler nicht anfälliger auf psychische Krankheiten als der Rest der Gesellschaft. Jedoch kommt es vor, dass in gewissen Sportarten, in denen das Körpergewicht oder die Figur von Bedeutung sind, das Risiko beispielsweise einer Essstörung erhöht ist. Bei vulnerablen Personen, die sensibel auf Leistungsdruck reagieren, kann es daher schneller zu psychischen Problemen kommen.

Eine, die ebenfalls mit hohem psychischen Druck umgehen muss, ist Aline Danioth. Die Skirennfahrerin aus Andermatt hatte sich nach ihrer fünften Knieoperation vor einem Jahr eine Pause vom Skizirkus gegönnt und reiste nach Hawaii. «Diese Auszeit war sehr wichtig. Es war psychisch eine der schwierigsten Situationen, die ich in meiner bisherigen Karriere erlebt habe», so Danioth. Sie sei sonst ein sehr zufriedener Mensch, aber damals «habe ich mein Lachen verloren.» Alles, was ihr Spass gemacht hätte, wurde ihr genommen. Sie wusste gar nicht, wieso sie am Morgen aufstehen sollte, erzählt die 23-Jährige. Nach der Auszeit in Hawaii hatte sich ihr Geist erholt. Nun arbeitet sie an ihrem Comeback auf der Skipiste.

Damit kehrt auch der Leistungsdruck wieder zurück, doch Aline Danioth weiss inzwischen damit umzugehen. «Ich nutze die Zeit zu Hause, um abzuschalten und meine Batterie aufzuladen.» Eine grosse Rolle dabei spielt ihr Hund. «Wenn ich mit ihm in der Natur bin und laufen gehe, muss ich nichts denken und kann abschalten», erzählt Danioth.

Social Media ist Fluch und Segen

Dies wird auch in Bezug auf Social Media immer wichtiger. Aline Danioth formuliert es so: «Social Media ist dafür und dawider.» Einerseits sei es ein Tool, mit dem man sich zusätzlich nochmals der Öffentlichkeit aussetzt, andererseits sei es eine wertvolle Plattform für das Sponsoring. Sie wolle authentisch auftreten und sich so zeigen, wie sie ist. «Ich überlege es mir immer zweimal und poste nur Sachen, die ich wirklich will.» Doch auch die Skirennfahrerin erhält manchmal Hasskommentare, «darüber stehe ich», sagt sie dazu.

Ähnlich sieht es die Sportpsychologin: Social Media sei Fluch und Segen zugleich. Man könne sich mitteilen sowie Tabus ansprechen und ist auch bezüglich Sponsoren darauf angewiesen. Doch sie sieht darin auch eine Problematik: «Es ist eine konstante Egozentrierung und die Sportlerinnen und Sportler kommen kaum mehr zur Ruhe.»

Ausgleich und Austausch ist wichtig

Umso wichtiger ist, eine Methode zu entwickeln, um mental im Gleichgewicht zu bleiben. Der Grundsatz von Aline Danioth lautet: «Es ist wichtig, zu wissen, was einem guttut.» Wenn andere Tipps geben und einem helfen möchten, kann dies auch verunsichern, so Danioth. Den öffentlichen Druck blendet sie, so gut es geht, aus, den schliesslich fahre sie für sich selbst Ski. Einfach ist das nicht: «Jeder Mensch hat schlechte Tage. Als Spitzensportlerin sieht es jedoch die ganze Welt und urteilt darüber», sagt die 23-Jährige. Deshalb sei es wichtig zwischen der realen Welt und der des Spitzensports zu unterscheiden.

Diese Balance streicht auch die Sportpsychologin Albertin heraus: «Man muss versuchen sich selbst und bei sich selbst zu bleiben, dabei ist auch die Pflege der sozialen Kontakte wichtig.» Denn Spitzensportlerinnen und Spitzensportler müssen auf viel verzichten, umso wichtiger ist der Ausgleich und ein unterstützendes Umfeld.

veröffentlicht: 21. November 2021 11:55
aktualisiert: 21. November 2021 11:55
Quelle: PilatusToday

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