Olympia

Zu Gast in einer fremden Welt

· Online seit 10.02.2022, 15:06 Uhr
Die Spiele 2022 gehen zweifelsohne als die aussergewöhnlichsten in die Annalen ein. Vieles in der Zero-Covid-Blase mutet bizarr an, nicht alles ist den strengen örtlichen Gepflogenheiten geschuldet.
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Nachfolgend Beobachtungen von anderthalb Wochen im chinesischen Hochsicherheitstrakt, die zumindest aus westeuropäischer Optik seltsam, kurios oder absurd anmuten.

Die Mondmenschen

Sie sind omnipräsent: die chinesischen Olympia-Helfer in ihren Ganzkörper-Schutzanzügen, das Gesicht doppelt vermummt hinter einer FFP2-Maske und einem Plastikschutz. Man sieht nur wenige Ausnahmen, zum Beispiel höherrangiges Personal in den Hotel-Restaurants. Die meist emsigen, manchmal untätig herumsitzenden Männchen und Frauchen erinnern an Menschen in Mondanzügen, grüssen überaus nett, sprechen aber in der Regel kein Englisch.

Der Sicherheitscheck im Hotel

Wer das Hotel verlässt, muss zuerst durch den Sicherheitscheck. Das Gepäck wird wie am Flughafen auf dem Band gescannt, die Person selbst von einem Mondmenschen, zuerst die Brustseite, dann Rücken und Beine von hinten.

Die Sicherheitszäune

Wer von A nach B will, fährt mit den öffentlichen Olympia-Bussen - und schaut ausser bei den grossen Distanzen zwischen den drei Olympia-Clustern Peking, Yanqing und Zhangjiakou - lückenlos an Absperrgittern aus Stahl vorbei. Sie sind kein China-Phänomen, sondern zumindest teilweise den Sicherheitsauflagen des IOC geschuldet.

Wahlweise sind die Gitter abgedeckt mit bemalten Sichtschützen. Die nicht ganz kurzen Verbindungsstrecken innerhalb der Cluster sind wie die Sportanlagen, Hotels und alles andere in der Blase penibel eingezäunt. Führen in den abgelegenen Clustern von Zhangjiakou und Yanqing öffentliche Strassen durch die Strecken, sind weitere Sicherheitsposten und -schranken installiert. In Peking fahren die Buslinien in ihrer Bubble Umwege, was umkurvt wird, bleibt verborgen.

Das Warten an grösseren Haltestellen, wo meistens mindestens ein Bus ein- oder ausfährt, kann nervenaufreibend sein: Aus den Lautsprechern jedes Busses tönt eine kurze chinesische Durchsage in Endlosschlaufe, ohne Pause.

Polizeiautos

Häufigste sichtbare Vehikel sind nebst Bussen Polizeiautos. An den Kreuzungen und Knotenpunkten warten besonders viele auf ihren Einsatz. Ob das alltägliche Leben in China ähnlich aussieht, erfährt kein Auswärtiger mit eigenen Augen: Man ist buchstäblich gefangen in der Olympia-Blase. Wer am falschen Ort spaziert, wird von der Polizei eingesammelt.

Die Athleten geniessen indes grössere Freiheiten, solange sie sich im Olympischen Dorf, im Hotel oder auf den Sportanlagen aufhalten.

Die übergrossen «Satelliten-Bäume»

In regelmässigen Abständen ragen auf den ersten Blick übergrosse Bäume aus der monotonen Vegetation an den Hängen. Es handelt sich um geschmückte Sendemasten. Wobei unklar ist, was sie senden. Die Internetverbindungen in den Hotels sind dürftig. Die Häufigkeit der Überwachungskameras, die man erblickt, kennt man schon von früheren Spielen.

Das spezielle Klima

Ja, es ist kalt an den Olympischen Spielen, vor allem abends. Und windig. Und ja, Schnee liegt wenig (wenngleich es in Zhangjiakou zweimal kurz geschneit hat). Für das verwöhnte Schweizer Auge ist die karge braune Landschaft mit den weissen Kunstschnee-Schneisen gewöhnungsbedürftig. Die Chinesen müssen abgehärtet sein, wenn sich die Orte als künftige Wintersport-Mekkas etablieren sollen.

Ins Auge sticht auch die Big-Air-Anlage in Peking. Sie steht in einem verlassenen Stahlkraftwerk und ist umgeben von Türmen, die wie Atomkraftwerke aussehen.

Die Influencer-Box

Der Zugang zu den Interview-Zonen ist zahlenmässig eingeschränkt, obwohl coronabedingt bedeutend weniger Journalisten vor Ort sind als üblich. Einfacher scheint es für Influencer zu sein, die bevorzugt die schönen Seiten ihrer Reisedestinationen ins Bild rücken: Für sie gibt es in den Zielräumen der Freestyler eine Interview-Box. «Influcencer» steht da geschrieben, inklusive Tippfehler.

Willkommen im Jahr 2022, in einer fremden Welt, während einer globalen Pandemie. Es sind zweifelsohne ganz aussergewöhnliche, unvergessliche Winterspiele in China.

veröffentlicht: 10. Februar 2022 15:06
aktualisiert: 10. Februar 2022 15:06
Quelle: sda

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