Für das Interview haben Yello in den prachtvollen Garten von Dieter Meier in Zürich eingeladen. Nichts ist hier gepützelt, kaum etwas gestutzt. Vor dem Studio von Boris Blank im Souterrain des Hauses stehen verstaubte Turngeräte, darum herum ist alles üppig grün. Man fühlt sich ein bisschen wie im Süden - erst recht, wenn man den Blick auf das Gebäude richtet, das mit seinen runden Bogensäulen irgendwo am Mittelmeer stehen könnte.
Im Gespräch mit Boris Blank (68) und Dieter Meier (75) zieht sich die angenehme Ungezwungenheit gleich weiter. Man ist von Anfang an per Du. Dieselbe Lockerheit prägt den Yello-Sound, daran hat sich auch auf dem neusten Album nichts geändert. «Unserer Musik liegen weder ein Hintergedanke noch eine Absicht im weitesten Sinne zu Grunde», sagt Blank im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Sie ist ein Spiel mit Klängen und Worten, das war in den 80ern so und hat sich bis heute nicht geändert. «Ich bin oft selber überrascht, was im Prozess alles entsteht.»
Die Basis ihrer Songs ist immer ein Geräusch. Das könne eines sein, das er schon vor Jahren aufgenommen habe, so Blank. Ein Tram, ein Zwitschern, ein Quietschen, ein Rauschen, sein Archiv umfasst Tausende von Tönen. Diesen Grundlaut bearbeitet der «Godfather of Techno» dann weiter, bis er damit zufrieden ist. «Boris macht Musik wie ein Maler Bilder malt», sagt Dieter Meier. «Erst mischt er die Farben, dann fängt er unten links zu malen an und denkt, es werde eine Rose - und am Schluss steht eine Giraffe da.» Das einzige Konzept von Yello ist, kein Konzept zu haben, sagt auch er.
Meier vergisst Texte sofort wieder
Laut Boris Blank ist es also nichts weiter als ein Zufall, dass die bereits veröffentlichte Single «Waba Duba» sofort an «The Race» erinnert. Der Teil, der dem Yello-Hit von 1988 entnommen sein könnte, bestehe aus Bläserfragmenten, die immer wieder in Erscheinung treten, sagt er. Solche Wiederholungen lägen wahrscheinlich «in der DNA des Boris Blank», anders kann er es nicht erklären. «Gewisse Muster und Strukturen tauchen ganz einfach immer wieder auf.» Und das führe dann dazu, dass Yello immer nach Yello klingen. Absichtlich unabsichtlich.
Auch Dieter Meier schreibt seine Texte seit Jahrzehnten mit der gleichen Spontaneität. «Ich komme immer erst ins Studio, wenn die Klangbilder schon stehen», sagt er. Blanks Musik sei schon zu dem Zeitpunkt dermassen inspirierend, dass ihm innerhalb kürzester Zeit Geschichten und Bilder einfallen. Bloss: «So schnell wie mir die Texte zufliegen, sind sie dann jeweils auch wieder weg», sagt der Künstler. An viele Lyrics könne er sich schon lange nicht mehr erinnern.
Wie im Film
Wenn Dieter Meier Blanks Klangkreationen zum ersten Mal hört, kommt es ihm vor, als hörte er «Filmmusik zu einem Film, den es nicht gibt.» Da geht es ihm nicht anders als jedem Yello-Fan, dem sofort Szenen aus alten Spionagefilmen vor dem inneren Auge ablaufen. Der an mysteriöse Männergestalten denkt, deren Innenleben man stets nachempfinden kann, obwohl nur ihre Umrisse zu erkennen sind.
Spaghetti Western, tropische Tänze, China-Flair, ein Gitarrensolo an einem Rockkonzert oder von Leonard Cohen vorgetragener Dadaismus - egal was man mit den Songs auf «Point» assoziiert, es ist immer verspielt und mit viel (Selbst-)Ironie gespickt. Es ist typisch Dieter Meier und Boris Blank, die sich noch nie um künstlerische Konventionen scherten und zu den wenigen in der Musikindustrie gehören, die seit 40 Jahren damit durchkommen. Zum Glück!
Auch diese Begegnung zwischen dem unberührten Rudergerät, der Sprossenwand und den grünen Büschen in Meiers Garten wird wohl ewig für ihren skurrilen Unterhaltungswert in Erinnerung bleiben. Allem voran das Fotoshooting, bei dem Meier und Blank erzählen, sie hätten ihre Posen während den Jahren nummeriert. Die 21 würden sie allerdings seit einiger Zeit nicht mehr machen - «dafür sind wir zu alt».