Félicien Kabuga erschien am Mittwoch vor dem Berufungsgericht zu einer Anhörung über seine mögliche Auslieferung an ein internationales Tribunal im Rollstuhl, wie ein dpa-Reporter berichtete. Er bestätigte seine Identität und sagte, er sei 1933 und nicht 1935, wie in den Gerichtsdokumenten angegeben, geboren.
Der Vorsitzende Richter verlas die ihm vorgeworfenen Vergehen - darunter Völkermord sowie Verfolgung und Vernichtung der ruandischen Tutsi-Minderheit. «Das sind alles Lügen», erwiderte Kabuga mithilfe seines Dolmetschers. Der alte Mann trug eine Gesichtsmaske zum Schutz vor dem Coronavirus. Seine Anwälte forderten die Aufhebung seiner Haft, da seine medizinische Untersuchung zuvor ohne Dolmetscher erfolgt sei.
Das International Residual Mechanism for Criminal Tribunals (IRMCT) wirft Kabuga vor, die Interahamwe-Miliz unterstützt und finanziert zu haben, die 1994 für einen Grossteil der Morde an mindestens 800 000 Tutsi und gemässigten Hutu verantwortlich war. Die Hutu stellen in dem ostafrikanischen Land die Mehrheit, die Tutsi die Minderheit. Kabuga soll auch verantwortlich sein für den in den Genozid verstrickten Radio- und TV-Sender RTLM, der zu Morden an Tutsi aufgerufen hatte.
Das IRMCT in Den Haag wickelt unter anderem die letzten Fälle des UN-Tribunals zu Ruanda ab. Das UN-Tribunal für Ruanda wurde 1994 etabliert, um Mitverantwortliche des Völkermords strafrechtlich zu verfolgen. Das Tribunal mit Sitz in Arusha in Tansania wurde nach insgesamt 93 Anklagen und 62 Verurteilungen vor einigen Jahren geschlossen. Kabuga wurde vom UN-Tribunal zu Ruanda wegen sieben Punkten angeklagt.
Man erwarte nun, dass Kabuga in Arusha vor Gericht komme, sagte eine Sprecherin des IRMCT am Mittwoch. Das Tribunal will zunächst eine vorläufige Überstellung nach Den Haag wegen der Corona-Massnahmen. Aber langfristig wird ein Prozess in Arusha erwartet. Kabuga konnte 26 Jahre lang den Ermittlern immer wieder entwischen. Schliesslich wurde er vor anderthalb Wochen in Paris festgenommen, wo er unter falscher Identität wohnte.