Wartefrist für Patienten

Fachkräftemangel macht auch Physiotherapeuten zu schaffen

· Online seit 06.02.2023, 12:49 Uhr
Der Beruf Physiotherapeutin und Physiotherapeut ist nach wie vor beliebt. Viele junge Leute bleiben jedoch nicht lange im Beruf. Weil es gleichzeitig aber immer mehr Patientinnen und Patienten gibt, kommt es teils zu langen Wartezeiten.
Anzeige

«Ich bin seit 30 Jahren in diesem Beruf und ich liebe ihn», sagt Urs Keiser, Co-Präsident des Regionalverbandes Physio Zentralschweiz. Die Liebe zum Beruf teilen viele praktizierende Physiotherapeuten, ist er sich sicher. Trotzdem schwinden die Fachkräfte. «Den Fachkräftemangel spüren wir seit Jahren.»

Viele Physiotherapeuten sind ausgelastet

Dabei fehlt es nicht an ausgebildeten Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten. 2021 gab es in der Schweiz 392 Studienabgängerinnen und -abgänger, weitere 874 Personen erhielten die Anerkennung für ihre ausländischen Diplome.

Trotzdem sind in der Zentralschweiz viele Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten ausgelastet. Die Praxis Physio-Vital in Luzern zum Beispiel hat derzeit Wartezeiten von bis zu zwei Wochen. Gut gebucht ist man auch im Physiozentrum Luzern. Sie können zwar innerhalb von zwei Tagen einen Termin garantieren. Dies jedoch nur wegen flexibler Arbeitszeiten und dank eines grossen Teams, erklärt Anima Willi vom Physiozentrum.

Wenn es zu langen Wartelisten kommt, muss man laut Urs Keiser priorisieren. Etwas, das man schon von Spitälern während der Corona-Pandemie kennt: «Wer ein akutes Problem hat, also zum Beispiel nach einer Operation, muss früher behandelt werden als jemand, der sein Problem schon seit Monaten mit sich herumschleppt.»

Zu tiefer Lohn

Worin aber rührt der Fachkräftemangel, wenn das Interesse an der Ausbildung nach wie vor da ist? «Viele, vor allem junge Leute, springen leider schnell wieder ab», weiss Keiser. «Es ist frustrierend: Als Physiotherapeut hat man studiert, man verdient aber teilweise weniger als in einem Handwerkerberuf.»

Anima Willi vom Physiozentrum Luzern ergänzt: «Das ist schweizweit der Schulabschluss mit dem geringsten Lohn.» Gerade deswegen verliere man junge, gut ausgebildete Arbeitskräfte wieder. «Sie gehen in die Forschung oder suchen sich einen anderen Job», so Keiser. Er glaubt, dass dies mit angepasstem Lohn anders aussehen würde.

Über 300 offene Stellen

An Arbeit fehlt es auf jeden Fall nicht. Immer mehr Patientinnen und Patienten müssen in die Physiotherapie – aus mehreren Gründen. Sie werden viel weniger lang stationär im Spital behandelt. Das heisst, die Physiotherapie kommt früher zum Zug. Auch eine demografische Veränderung findet statt: Die Leute werden immer älter und beanspruchen Angebote wie die Spitex, die oft auch mit Physiotherapieleistungen ergänzt werden, damit die Menschen mobil bleiben oder eine einigermassen gute Lebensqualität aufrecht erhalten können.

All diese Faktoren wirken sich auch auf den Arbeitsmarkt aus. Laut Urs Keiser von Physio Zentralschweiz gibt es schweizweit über 300 offene Physio-Stellen. Und Mitarbeiter zu finden sei nicht einfach. Vor zwei Jahren hätten sie in seiner Praxis ebenfalls eine Stelle ausgeschrieben. «Die Bewerbungen kamen damals von überall her, sogar aus Marokko. Nur aus der Schweiz gab es keine.»

Abrechnung als Problem

Ein weiterer Problempunkt ist laut Keiser die Behandlungspauschale. Ein Physiotherapeut oder eine Physiotherapeutin kann für eine Behandlung immer nur genau gleich viel berechnen – unabhängig davon, wie viele Geräte man zum Beispiel benutzt hat. Eine Ärztin oder ein Arzt hingegen kann vieles einzeln abrechnen. Die Behandlungspauschale begünstige die tiefen Löhne.

«In den letzten 20 Jahren haben sich die Löhne nicht verändert, aber die Gesundheitskosten sind um das Doppelte auf 80 Milliarden Franken angestiegen», sagt Keiser. Deswegen verliere man auch so viele gute Arbeitskräfte. Eine Tatsache, die er sehr bedauert. Er und viele in der Branche lieben ihren Beruf. «Aber ich wünsche mir, dass alle, die in dem Beruf arbeiten, auch davon leben können», schliesst Keiser.

veröffentlicht: 6. Februar 2023 12:49
aktualisiert: 6. Februar 2023 12:49
Quelle: PilatusToday

Anzeige
Anzeige
redaktion@pilatustoday.ch