Wegen Coronavirus

Keine Luzerner Zeitung am 1. Mai: die Gründe für die Sparmassnahme

30.04.2020, 21:44 Uhr
· Online seit 30.04.2020, 19:26 Uhr
Das Coronavirus geht auch an den Medien nicht spurlos vorbei. Morgen, am 1. Mai, erscheint aus wirtschaftlichen Gründen keine Luzerner Zeitung. Wir haben bei Pascal Hollenstein, Leiter Publizistik der CH Media-Zeitungen nachgefragt, was die genauen Gründe dafür sind.
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Wie kam es zu diesem Entscheid?

Die Luzerner Zeitung und ihre Regionalausgaben sind – wie die meisten Medien und auch CH Media insgesamt – stark von der Coronakrise betroffen. Wir verlieren dramatisch an Werbeeinnahmen. Deshalb sind wir gezwungen, Sparmassnahmen zu ergreifen, darunter auch kurzfristige. Eine davon ist die Kurzarbeit. Das heisst, die Redaktion arbeitet nicht mehr zu 100 Prozent, sondern reduziert. Zudem haben wir den Umfang der Luzerner Zeitung leicht angepasst.

Zum 1. Mai: Die Zeitungen von CH Media erscheinen in gewissen Kantonen schon bisher nicht an diesem Tag. Dennoch produzieren wir eine vollständige Zeitung. Es schien uns in dieser aussergewöhnlichen Lage nun vertretbar, einmal auf die gedruckte Zeitung in der Zentralschweiz zu verzichten. Wichtig dabei: Online stehen wir unseren Abonnentinnen und Abonnenten aber auch an diesem Tag kostenlos zur Verfügung. Zudem wird die entgangene gedruckte Zeitung gutgeschrieben. Das Jahresabo verlängert sich damit um eine Ausgabe.

Hat das Auslassen der Ausgabe vom 1. Mai als Tag der Arbeit auch symbolischen Charakter?

Nein, gar nicht. Die Luzerner Zeitung ist eine Forumszeitung mit einer liberalen Grundausrichtung. Wir wollen damit bestimmt kein politisches Zeichen setzen.

Aus Sicht der Leserschaft könnte der Entscheid erstaunen und verunsichern. Und die Frage aufwerfen, ob nun häufiger keine gedruckte Zeitung geliefert wird. Inwiefern haben solche Überlegungen eine Rolle gespielt?

Ich kann die Verunsicherung verstehen, aber auch beruhigen: Ab Samstag erscheint die Luzerner Zeitung wieder ganz gewohnt. Und wichtig ist ja, dass die Abonnentinnen und Abonnenten eine Ausgabe gutgeschrieben erhalten. Ich habe mit vielen Leserinnen und Lesern heute telefoniert, auch mit anfänglich aufgebrachten. Wenn man den Entscheid erklärt, dann erhält man viel Verständnis. Wir alle wissen, dass das ausserordentliche Zeiten sind, in denen wir jetzt stecken. Auch für viele unserer Leserinnen und Lesern.

Wie haben Sie auf die Frage der Leser reagiert, ob noch weitere Ausgaben gestrichen werden könnten?

Meine Antwort fiel so aus, dass unsere Zeitungen in den verschiedenen Kantonen ohnehin unterschiedlich häufig erscheinen. An gewissen Tagen erscheinen sie hier in der Zentralschweiz, an anderen Orten jedoch nicht. In der Zentralschweiz gibt es andererseits mehr gesetzliche Feiertage als in anderen Gebieten von CH Media. Diese Feiertage fallen nicht immer auf den gleichen Wochentag. Und so erhalten unsere Kunden nicht jedes Jahr gleich viele Ausgaben, sondern die Zahl schwankt zwischen 302 und 307 Zeitungen pro Jahr. Wenn man dies so erklärt und nochmals betont, dass die Ausgabe vom 1. Mai gutgeschrieben wird, dann verstehen das die meisten.

Also müssen die Leserinnen und Leser nicht damit rechnen, dass weitere Ausgaben gestrichen werden könnten?

Nein, das ist im Moment nicht geplant. Klar, unsere Branche steht nicht erst seit der Coronakrise vor sehr grossen Herausforderungen. Aber solche einschneidenden Massnahmen sind derzeit nicht geplant. Wir hoffen natürlich, dass wir diese Krise einigermassen gut überstehen werden und das bald wieder Normalität einkehrt.

Wie hoch sind die Einsparungen einer Zeitungsausgabe, wenn man diese beziffern müsste?

Die Einsparungen fallen in unterschiedlichen Bereichen an. Dies beginnt bei der Redaktion, die teilweise auf Kurzarbeit ist. Zudem kann man vor allem im Druck und im Vertrieb Kosten einsparen. Man muss auch ganz CH Media betrachten. Nicht nur die Zentralschweiz, sondern auch die Ostschweiz ist betroffen. Dort ist der 1. Mai in den meisten Kantonen, mit Ausnahme des Kantons Thurgau, kein gesetzlicher Feiertag. Da erscheint auch keine Ausgabe am 1. Mai. Wenn man dies alles zusammenrechnet, kommt man gegen einen sechsstelligen Betrag.

Sie haben es angesprochen, die Medienbranche ist momentan mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Der Wunsch nach Informationen ist da und gleichzeitig erhöht sich der wirtschaftliche Druck. Wie schätzen Sie das persönlich ein? Welche Lösungsansätze sehen Sie für die Zukunft?

Ich glaube, wir sind uns bereits aus der Vergangenheit ökonomischen Druck gewöhnt. Aber es ist richtig, dass die Coronakrise wie ein Brandbeschleuniger wirken kann. Da sind wir nicht die einzigen. Es gibt auch andere Branchen, die vermutlich sehr starke strukturelle Umwälzungen aufgrund dieser Krise erleben werden. Der ganz grosse Trend, den wir sehen, ist die Digitalisierung unserer Zeitungsprodukte. Wir werden am 4. Mai in Luzern und St. Gallen beispielsweise eine neue Paywall lancieren.

Und wir werden als CH Media im Herbst dieses Jahres – so der vorgesehene Fahrplan – unsere Zeitungen überall digital als bezahlte Produkte anbieten. Wenn man sieht, wie die Digitalisierung einen Schub erhalten hat durch die Coronakrise, dann sehe ich dies auch als Chance für den digitalen Journalismus. Zuerst aber müssen wir diese Krise durchstehen. Da geht es uns nicht anders als vielen anderen Unternehmen.

veröffentlicht: 30. April 2020 19:26
aktualisiert: 30. April 2020 21:44
Quelle: PilatusToday

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