Quelle: Pilatus Today
«Es ist ein Glücksfall, dass wir dieses Gelände gefunden haben und es nutzen dürfen», sagt Edith Kaufmann. Der Hof Rickenbach liegt mitten im Grünen. Nebenan ein Bauernhof, die Kühe schauen neugierig über den Zaun. Etwas weiter weg steht der Kubus, die Schule von Rickenbach. Hier finden die meisten Anlässe im Dorf statt.
Die Dementen sollen hier nicht ausgegrenzt sondern integriert werden. Nicht nur im Dorf, sondern auch in den Arbeitsalltag. «Wir werden hier gemeinsam kochen und gemeinsam essen», erklärt Kaufmann beim Rundgang. Sie führt und leitet mit den beiden Co-Geschäftsleiterinnen Luzia Hafner und Isabelle Merz den Betrieb des Hofs Rickenbach. Sie selbst ist Pflegefachfrau und Gerontologin.
Nicht Patienten, sondern Gäste wohnen hier
Der Hof Rickenbach ist die Erweiterung des Hofs Obergrüt im Luzernischen Ruswil. Hier im ehemaligen Kloster der Aareberger Dominikaner soll das Angebot für Demenzkranke ausgeweitet werden. Bis der Hof in Rickenbach voll geöffnet wird, läuft der Hof Obergrüt weiter. Nach und nach wird in Rickenbach alles in Betrieb genommen und ausprobiert.
Die Stimmung unter den Mitarbeitenden ist entspannt. Wie bei einer Familie. Das ist den Betreibern besonders wichtig. Die Demenzkranken werden hier nicht Patienten sondern Gäste und Bewohnende genannt. «Sie sollen sich hier wohl fühlen.» Um das zu erfüllen, werden die Pfleger und Betreuer in Alltagskleidern hier arbeiten. Alle können und dürfen hier mithelfen.
Konkret heisst das: Die Gäste können beim Kochen helfen, im Garten arbeiten, mit dem Hauswart mitgehen oder die Tiere pflegen. Lamas, Pferde, Hunde, Katzen und Hühner werden hier bald ihr neues Zuhause finden. «Die Katzentürli sind schon installiert», sagt Kaufmann. Denn Studien zeigen, dass Tiere eine beruhigende Wirkung auf Menschen mit Demenz haben. «Sie akzeptieren den Menschen, so wie er eben ist», erklärt Kaufmann.
Betreuung ist ein Vollzeitjob
Das sei bei Menschen nicht immer einfach. Pro erkrankte Person sind durchschnittlich bis zu drei Angehörige direkt betroffen. Das Leben wird nach einer Diagnose auf den Kopf gestellt, man muss sich neu ordnen. Je nach Stadium ist die Betreuung ein Vollzeitjob. Dazu kommt: «Man verliert einen Menschen, die Persönlichkeit der Demenzkranken verändert sich. Das kann sehr belastend sein.»
All die Erinnerungen und die Erfahrungen, die den Menschen ausmachen, sind irgendwann weg. «Man sagt bei der Demenz, dass man sich rückwärts entwickelt. Man braucht immer mehr Hilfe im Alltag.» Für manche ist schon die Körperpflege eine enorme Herausforderung. Ein geregelter Alltag mit viel Routine ist daher wichtig für Betroffene.
Aber das Leben besteht eben nicht immer aus Routinen. Aus diesem Grund richtet sich der Hof Rickenbach auf Personen mit einer Demenz im frühen Stadium an. «Für sie ist es besonders schwierig, da sich diese Menschen oft noch in der Arbeitswelt befinden, sie haben vielleicht kleine Kinder und sind körperlich meistens noch sehr fit.» Für sie werden sogenannte Ferien angeboten: «Sie können tageweise hierher kommen. Damit wollen wir die Angehörigen entlasten», sagt Kaufmann.
Auszeit für die Angehörigen
Der Hof Rickenbach wird über zwölf Ferienbetten verfügen. Wie viele Plätze es in der Langzeitpflege geben wird, ist aktuell noch nicht klar. Die Ferien können unterschiedlich lange geplant werden, damit sie den Bedürfnissen entsprechen. Maximal können die Ferien sechs Wochen dauern. Die Ferien sind nicht nur für jüngere Menschen sondern auch für ältere Personen möglich. Es wird drei Wohngruppen geben:
- Wohngruppe Feriengäste
- Wohngruppe Langzeit im Erdgeschoss
- Wohngruppe Langzeit im 1. Obergeschoss
Natürlich sind hier auch ältere Personen und Menschen, die länger bleiben, willkommen. Aber das Hauptaugenmerk wird auf den jungen Demenzkranken zwischen 30 und 65 Jahren bleiben. «Ältere Demenzkranke können auch von der Spitex oder in Altersheimen betreut werden, für sie gibt es viele Angebote. Für junge Demenzkranke gibt es hingegen nichts in der Schweiz.» Damit ist der Hof Rickenbach mit seinem Angebot einzigartig.
Quelle: Pilatus Today
Gäste aus der ganzen Schweiz
Neben einem Fitnessraum im Keller gibt es auch eine sogenannte «Hof-Oase». Hier können die Bewohnenden fürsorglich und würdevoll durch die Sterbephase begleitet werden. Die Oase befindet sich im obersten Stock. Die vier Betten werden unter grossen Fenstern stehen, die sich in einen Balkon ausklappen lassen. «Wir wollen den Menschen den Sterbeprozess so würdevoll wie nur möglich machen.»
Dafür wird aktuell gearbeitet. Die Wände tragen helle Farben, aus den Gemeinschaftsräumen wie der Küche hat man einen guten und schnellen Zugang in den Garten. Noch hat es einige Baustellen. Die Zimmer werden eingerichtet, der Eingangsbereich ebenfalls. Im Garten stehen noch einige Arbeiten an, doch die ersten Hochbeete stehen schon. Hier wachsen Salate, Sellerie und weiteres Gemüse. Produkte, die für die Bewohnenden genutzt oder verkauft werden.
Die grosse Eröffnung wird am 4. Oktober sein. Da werden die ersten Gäste bereits einziehen können. «Wir betreuen Gäste aus der ganzen Deutschschweiz, also aus 14 Kantonen», erklärt Kaufmann. Das Projekt sei sehr beliebt. «Wir erhalten viel positives Feedback. Es freut uns, dass unsere Arbeit geschätzt wird.»
Durch Spenden finanziert
Der Hof finanziert sich hauptsächlich durch Spenden und kurzfristiges Fremdkapital. Immerhin kostet der Kauf und der Umbau rund 10 Millionen Franken. In einem Hofladen sollen Produkte hergestellt werden, mit denen das Projekt ebenfalls finanziert werden soll. Beispielsweise Kräutersalze oder Eier werden da verkauft. «Was alles kommt, wissen wir noch nicht. Wir werden schauen, was möglich ist», sagt Kaufmann.
Einen Zustupf erhielt der Stiftung vor Kurzem durch den CSS Stiftungspreis. Wie die CSS in einer Mitteilung schreibt, erhielt der Hof in Rickenbach rund 15'000 Franken. Die CSS Stiftung unterstützt seit über 30 Jahren wohltätige Einrichtungen und fördert soziale Projekte in der Kranken- und Unfallversicherung.
Ziel ist es, dass die Kranken hier ein möglichst normales Leben führen können. Dazu gehört, dass der Hof Rickenbach auch für andere zugänglich ist. So wird die Kapelle für alle offen bleiben. Der Teil neben der Kapelle kann für Aperos und Hochzeiten von Auswärtigen gemietet werden. So soll ein möglichst schönes Nebeneinander entstehen.