Queere Bibel

Die katholische Kirche Luzern ergänzt die Bibel mit LGBTIQ-Texten

· Online seit 26.08.2023, 07:35 Uhr
Zum zweiten Mal findet am Samstag in Luzern eine Pride statt. Mit dabei: die katholische Kirche. Zudem möchte sie mit einer queeren Bibel LGBTIQ-Menschen ansprechen. Doch ist «queer» und «Bibel» in einem Satz nicht ein kompletter Widerspruch?
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In der Peterskapelle steht eine Regenbogenbank, an den Wänden hängen regenbogenfarbige Tücher. Offensichtlich: Die katholische Kirche Luzern möchte die LGBTIQ-Community ansprechen und wirkt darum aktiv an der Pride mit. Auf der Regenbogenbank werden Seelsorge-Gespräche angeboten, es gibt einen Pride-Gottesdienst und – es soll eine queere Bibel entstehen.

Es sei eigentlich eine normale Bibel, eingefasst in Regenbogenfarben, erklärt Meinrad Furrer, der Leiter des Peterskapelle-Teams. «Wir überschreiben gewisse Texte in der Bibel. Man sieht den Originaltext, aber auch, was wir aus queerer Sicht dazuschreiben.» Sie würden die Bibel also nicht verändern, geben aber Neuinterpretationen dazu. Die Bibel sei ja über Jahrtausende immer wieder angepasst worden. Darum seien ihre Ergänzungen jetzt eigentlich «sehr biblisch», so Furrer.

«Paulus, dein Beispiel stimmt nicht!»

Diese Neuinterpretationen seien nicht nur für diese Queer-Bibel geschrieben worden, sondern werden schon seit Längerem von Personen aus der queeren Community geschrieben. Auch Meinrad Furrer hat dazu beigetragen. Er nennt ein Beispiel:

Im Römerbrief schrieb Paulus davon, dass in Rom Männer mit Männern und Frauen mit Frauen schlafen würden und nannte dies unnatürlich. «Ich schreibe einen Brief an Paulus und sage ihm: Ich finde es spannend, was du sagst, aber dein Beispiel stimmt nicht», erklärt Furrer. Das Bild, das Paulus von gleichgeschlechtlichen Beziehungen gehabt hätte, sei von Machtmissbrauch und Übergriffen geprägt gewesen, was es im antiken Rom häufig gegeben hatte. Er hätte nicht gesehen, dass es auch gleichgeschlechtliche Beziehungen gab, die einvernehmlich waren. «So kann man mit diesen Texten ganz anders umgehen.»

Ein anderes Beispiel kommt aus der Schöpfungsgeschichte. Dort stehe, Gott hätte den Menschen männlich und weiblich geschaffen. Dies stehe aber in einer ganzen Reihe solcher Gegensätze. «Es steht, er hätte hell und dunkel erschaffen. Wir kennen aber die Dämmerung. Er hat Land und Wasser geschaffen – wir kennen aber Sumpf und Eis. Warum soll das mit männlich und weiblich nicht genau so sein?»

Es geht nicht um Politik

Solche Neuinterpretationen sollen queeren Menschen helfen, einen neuen Zugang zur Bibel zu finden, sagt Mentari Baumann. Sie ist Geschäftsführerin der «Allianz Gleichwürdig Katholisch» und hat zusammen mit Meinrad Furrer diese Texte aus ihrem Netzwerk gesammelt. «Es ist eigentlich wie ein Crowdfunding», sagt Baumann. Anstatt Geld sammeln sie aber Gedanken, wie sie erklärt.

Mit der queeren Bibel gehe es ihnen nicht um bestimmte politische Themen, sondern darum, die Vielfalt von Menschen und Lebensentwürfen zu zeigen, die über «Mann und Frau» hinausgingen. Solche fände man auch in der Bibel.

Negative Reaktionen aus dem Internet

Das Projekt löse viele positive Reaktionen aus. Negatives käme vor allem aus den sozialen Medien und aus Kommentaren unter Artikeln. Dort reagieren die Menschen schneller negativ und undifferenziert, sagt Meinrad Furrer. Wenn er diese Personen zum Gespräch einlade, käme aber keine Antwort. «Wenn Menschen wirklich ein Problem damit haben, sollen sie das Gespräch suchen», wünscht er sich.

Möglich ist das zum Beispiel am Tag der Pride, also am Samstag. Dann kann die Bibel von 11 bis 19 Uhr auf dem Kurplatz in Luzern besichtigt werden.

veröffentlicht: 26. August 2023 07:35
aktualisiert: 26. August 2023 07:35
Quelle: PilatusToday

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