Die Wahlbeteiligung bleibt tief: Hat die Zentralschweiz «Kä Luscht»?
Wir starten mit einem kurzen Rechenbeispiel. In der Schweiz gibt es – Stand 2022 – rund 5,5 Millionen stimmberechtigte Bürgerinnen und Bürger bei circa neun Millionen Einwohnerinnen. Schweizweit haben wir eine Wahlbeteiligung an den vergangenen Nationalratswahlen 2023 von 46,6 Prozent. Das heisst, die politische Richtung der Schweiz, von der schlussendlich rund neun Millionen Personen betroffen sind, wird von gerade mal 2,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger, das sind keine 30 Prozent, entschieden. Gar nicht mal so viele. Doch in der Zentralschweiz sieht es zumindest ein wenig besser aus.
Braucht es eine Wahlpflicht?
In allen Zentralschweizer Kantone liegt die Wahlbeteiligung höher als im Schweizer Durchschnitt. Dennoch, es gibt Luft nach oben. National gesehen setzt der Kanton Schaffhausen konstant zu Höhenflügen in der Stimmbeteiligung an. Bei den Nationalratswahlen gingen 61,6 Prozent wählen. Nicht zuletzt auch aufgrund der Stimm- und Wahlpflicht, die der Kanton Schaffhausen hat – als einziger Kanton in der Schweiz. Während das für die Schaffhauserinnen und Schaffhauser ein «alter Zopf» ist, flammt in der Zentralschweiz die Diskussion nach einer Stimm- und Wahlpflicht hin und wieder auf – wie auch jetzt.
In der unten stehenden Karte siehst du, in welchen Kantonen Wählen in der Vergangenheit Pflicht war:
SVP-Kantonsrat Bucher will die Luzernerinnen und Luzerner an die Urne «zwingen»
Einen Tag vor den nationalen Wahlen brachte der Luzerner SVP-Kantonsrat Mario Bucher die Debatte rund um eine Wahlpflicht aufs Tablett. «Wenn wie bei den jüngsten Kantonsratswahlen nur noch rund 40 Prozent der Berechtigten an die Urne gehen, kann man unmöglich von einer gesunden, funktionierenden Demokratie reden», sagt Bucher gegenüber der Luzerner Zeitung. Ein entsprechender Vorstoss hat der Kantonsparlamentarier am Montag eingereicht.
Eine Wahl- und Stimmpflicht: Für einen SVPler eine ziemlich aussergewöhnliche Meinung. Sind SVP-Mitglieder von ihrem Naturell her doch jeweils gegen Pflichten und Abgaben. In einem ersten Schritt will Bucher zumindest die Wahlcouverts vorfrankieren. Nur schon diese Massnahme soll nämlich gemäss Bucher die Wahlbeteiligung erhöhen. Im Vorstoss schreibt er: «Unsere direkte Demokratie ist krank, das Hauptsymptom, niedrige Wahlbeteiligung.»
Politexperte: Wahlpflicht nützt vor allem den Polparteien
Der Politexperte von PilatusToday und Tele 1, Armin Camenzind scheint da anderer Meinung zu sein: «Eine Wahlpflicht bringt nicht zwingend höheres politisches Engagement mit sich.» Zudem sei die Selbstbestimmung stark in den ‹Zentralschweizer Genen› verankert. Zudem sieht Camenzind die Gefahr, dass die Wahlpflicht die zunehmende Polarisierung von links-rechts weiter vorantreiben würde. Einige Personen würden wählen, nur um der Busse zu entgehen. Auch in einer traditionell Mitte wählenden Region wie der Zentralschweiz könne das bewirken, dass sich die Leute zunehmend von den Polparteien wie SVP und SP leiten lassen würden.
Wahlhürden abbauen – Couverts frankieren?
Vorfrankierte Couverts gibt es übrigens in den Kantonen Zug und Obwalden. Siehe da: Während Zug eine Wahlbeteiligung von 53,1 Prozent aufweist, kann Obwalden vom höchsten Wert der Zentralschweiz sprechen. Ganze 58,8 Prozent der wahlberechtigten Obwaldnerinnen und Obwaldner wollten mitreden, ob Monika Rüegger (SVP) oder Nico Fankhauser (FDP) den Kanton im Nationalrat vertreten wird.
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Spannende Ausgangslage kann auch zum Urnengang motivieren
Weder vorfrankierte Couverts noch eine Wahlpflicht gibt es im Kanton Nidwalden. Die Wahlbeteiligung bei den Nationalratswahlen erhöhte sich dennoch um 5,8 Prozente. Geht es also auch anders?
Der Kanton Nidwalden zeigt sich auf Anfrage von PilatusToday und Tele 1 erfreut über die hohe Wahlbeteiligung. Wie der Kanton schreibt, sei sicherlich auch die spannende Ausgangslage bei den Nationalratswahlen mitentscheidend für die hohe Wahlbeteiligung gewesen.
Der Politexperte Armin Camenzind möchte den Nutzen der vorfrankierten Couverts jedoch nicht überschätzen: «Auch die Stadt Luzern nutzt seit 2023 die Möglichkeit der kostenlosen brieflichen Stimmabgabe: Seither ist kein merklicher Anstieg der Stimmbeteiligung erkennbar. Vielmehr entscheidend für die Stimmbeteiligung sind die Inhalte der Sachvorlagen respektive für die Wahlbeteiligung die Mobilisierung der Parteien und Kandidierenden.»