Ausländische Arbeitskräfte

Luzerner Kantonsrat ruft zu höchst umstrittenem Vorgehen auf

11.09.2020, 11:56 Uhr
· Online seit 11.09.2020, 10:51 Uhr
Der Luzerner Gewebedirektor Gaudenz Zemp rät Luzerner Unternehmen, Arbeitsverträge für ausländische Arbeitnehmer auf 364 Tage zu befristen – und jährlich zu verlängern. Dieses Vorgehen ist höchst umstritten.
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In einem Lesebrief in der «Luzerner Zeitung» schreibt Gaudenz Zemp, dass für die Entlastung der hiesigen Sozialwerke keine Annahme der SVP-Begrenzungsinitiative nötig sei. Viel effizienter sei, dass Unternehmen ausländische Arbeitskräfte mit befristeten Arbeitsverträgen anstellen. Der Vertrag sei auf 364 Tag zu befristen und nach Ablauf mit der gleichen Frist zu verlängern.

Die Arbeiter erhalten von den Behörden daher nur eine Kurzaufenthaltsbewilligung L. Das bedeutet, dass sie nach Ablauf des Arbeitsvertrages die Schweiz sofort verlassen müssen und so keine Belastung für die Schweizer Sozialsysteme werden. «Das ist besser und schneller, als später eine ineffiziente Kontingentmaschinerie aufbauen zu müssen», schreibt Zemp.

«Kettenverträge» sind höchst umstritten

Sogenannte «Kettenverträge» sind jedoch nur erlaubt, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Beispielsweise ist dies der Fall, wenn eine Stelle jedes Jahr neu finanziert werden muss oder wenn einer Person eine neue Aufgabe zugewiesen werden. Verboten sind solche Verträge, wenn sie dazu dienen, den Kündigungsschutz zu umgehen.

«Ich beurteile die vorgeschlagene Vorgehensweise arbeitsrechtlich sehr skeptisch, wenn es nur darum geht, Arbeitnehmende, um Sozialansprüche zu bringen», sagt Rechtsprofessor Roger Rudolph von der Universität Zürich gegenüber «Blick.ch».

SP ist empört – Zemp relativiert

Die SP Kanton Luzern schreibt auf ihrer Facebookseite von «menschenverachtenden» Aussagen um vom Aufruf zum Rechtsbruch. Der FDP-Politiker weist die Vorwürfe von sich. Er habe den Leserbrief in guter Absicht geschrieben. «Denn viele Unternehmer wüssten nicht von der Möglichkeit von befristeten Ein-Jahres-Verträgen», so Zemp auf «Blick.ch». Es sei zudem nicht die Idee, dass solche Verträge fünf, sechs Jahre verlängert würden.

Auch Migrationsamt involviert

Ausserdem stamme die Idee nicht von ihm, sondern vom Leiter des kantonalen Amts für Migration, Alexander Lieb. Dieser habe den Leserbrief vorgängig gelesen und für korrekt empfunden. Tatsächlich räumt Lieb gegenüber «Blick.ch» ein, dass er an einer Veranstaltung geraten habe, ausländischen Angestellten bei der ersten Einreise in die Schweiz befristete Arbeitsverträge anzubieten. Er betont aber, dass das Amt für Migration nie eine missbräuchliche Anwendung propagiert habe.

(red)

veröffentlicht: 11. September 2020 10:51
aktualisiert: 11. September 2020 11:56
Quelle: PilatusToday

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