Mit dem Luzerner Eichmeister an der Zapfsäule

Doch diese Geschichte beginnt nicht an einer Zapfsäule oder zwischen Peperoni und Rüebli im Supermarkt. Sie beginnt in Paris von 1889. Damals setzte ein kleiner Klotz aus Platin und Iridium zu seinem Siegeszug an: Das Ur-Kilo. Seit mehr als 130 Jahren ruht dieses in einem Tresor des «Internationalen Büros für Mass und Gewicht». Alle unseren Gewichtseinheiten leiten sich von diesem kleinen Metallteil ab.

Das spüren wir auch im Portemonnaie. So zum Beispiel in der Spar-Filiale in Neuenkirch. Die 372 Gramm schweren Zucchettis kosten hier 1,65 Franken. Was aber gibt uns die Sicherheit, um die Angaben der Gemüse-Waage im Laden für bare Münze zu halten? Die meisten Menschen vertrauen wohl einfach der Maschine, ohne gross darüber nachzudenken. Ein Vertrauen, welches uns zu Georges Dissler und seinem Beruf bringt.

Waage ist nicht gleich Waage

Dissler ist als einer von drei Eichmeistern für die Luzerner Polizei unterwegs. Er stellt sicher, dass ein Kilogramm genau ein Kilogramm bleibt. Er überprüft die Waagen im Kanton Luzern. «Ich sehe in verschiedene Bereiche rein, dass macht die Faszination aus.» So kommt er beispielsweise in den Pharmazie-Bereich, wo Waagen so genau sein müssen, dass er die Kontrollgewichte nicht mit blossen Händen berührt. Oder aber er kontrolliert Eisenbahn-Waagen, wo es um 100 Tonnen geht.

Die Gemüse-Waage im Neuenkircher Spar liegt also irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Alle zwei Jahre ist Georges Dissler bei der gleichen Waage zu Besuch. Mit verschiedenen Gewichten kontrolliert er, wie genau die Waage ist. Geringfügige Abweichungen von seinem mitgebrachten Test-Gewicht sind erlaubt. In einem weiteren Schritt überprüft Dissler, ob die Waage nicht nur in der Mitte, sondern auch an den Ecken der Waage korrekt ist.

Es fällt auf: Dem Eichmeister ist es eigentlich egal, ob eine Abweichung des Gewichts zugunsten des Verkäufers oder der Konsumentin ist. Der Eichmeister ist also kein Konsumentenschützer. Die Waage sollte also weder zu tiefe noch zu hohe Werte ausspucken.

Vor 20 Jahren gab es bei Tankstellen «Unregelmässigkeiten»

Heutzutage seien die Abweichungen bei den Messungen meist technischer Natur. Dass bewusst jemand betrügt, kann sich der Experte nicht vorstellen. Das gilt auch für Tankstellen, wo Dissler überprüft, ob die richtige Menge Benzin oder Diesel aus der Tanksäule läuft. Als er vor über 20 Jahren als Eichmeister begonnen hat, sei das noch anders gewesen. «Wir konnten damals gewisse Unregelmässigkeiten feststellen, besonders in Gebieten, wo wenig kontrolliert wurde.» Diese Unregelmässigkeiten seien wahrscheinlich eher zum Vorteil des Tankstellen-Betreibers aufgetreten.

Nicht nur regelmässige Kontrollen, sondern auch gewisse weitere Massnahmen verhindern, dass Konsumentinnen und Konsumenten abgezockt werden. So sind an einzelnen Teilen Plomben angebracht. Dem Eichmeister würde sofort auffallen, wenn an diesen Teilen Manipulationen vorgenommen worden wären.

Von Paris über Bern nach Nottwil

Um Tankstellen oder Waagen überprüfen zu können, ist Georges Dissler auf Kontroll-Masseinheiten angewiesen. Er braucht also beispielsweise ein Gewicht, welches mit absoluter Sicherheit ein Kilogramm ist. Und das bringt uns an den Anfang dieses Beitrages, zum Ur-Kilo. Die Gewichte von Georg Dissler sind nämlich vom Ur-Kilo in Paris abgeleitet.

Mittlerweile wird ein Kilogramm zwar durch eine bestimmte Anzahl von Silizium-Atomen und weitere Faktoren definiert, wie «Zeit Online» schrieb. Aber noch immer gleicht das Luzerner Eichamt ihre Gewichte mit einem Referenz-Gewicht in Bern ab. Und dieses beruht ursprünglich auf dem Pariser Ur-Kilo von 1889. Wenn wir den Faden weiterspinnen, so steckt in der von dir gewogenen Supermarkt-Zucchetti ein Hauch von Paris. Wie romantisch!