Handicap

Selbstbestimmung als A und O: So möchten Menschen mit Beeinträchtigung leben

· Online seit 18.10.2022, 21:18 Uhr
Wie zufrieden sind beeinträchtigte Menschen mit ihrer Wohnsituation? Und wie würden sie in Zukunft gerne wohnen? Das haben Forschende der Hochschule Luzern rund 700 Betroffene gefragt. Dabei hat sich gezeigt, dass mit der Selbstbestimmung die Zufriedenheit wächst. Es aber gerade im Kanton Luzern noch einiges zu tun gibt.
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Wie möchten Menschen mit Beeinträchtigung gerne wohnen? «Diese Frage können natürlich die Betroffenen selbst am besten beantworten», so der Studienleiter René Stalder, der an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit doziert. Im Auftrag verschiedener Partnerorganisationen hat er und sein Forschungsteam rund 700 Menschen mit Beeinträchtigung befragt.

So ist es ... 

Von den an der Studie teilnehmenden Personen mit einer Beeinträchtigung wohnen rund 40 Prozent in einem Wohnheim. 15 Prozent von ihnen leben mit ihren Eltern oder anderen Verwandten, elf Prozent mit der eigenen Familie oder der Lebenspartnerin oder dem Lebenspartner, und zehn Prozent haben ein Zimmer in einer privaten Wohngemeinschaft. Rund ein Viertel aller Befragten lebt allein in einer Wohnung

... und so wär's wünschenswert

Die Zufriedenheit mit der entsprechenden Wohnform hänge vor allem vom Selbstbestimmungsgrad ab, wie die Forschenden herausfanden. Weiter zeigen die Ergebnisse der Studie: Wie selbstbestimmt sich die Befragten fühlen, verändert sich je nach Alter. So geben ganze 38 Prozent der Befragten im Alter von 18 bis 29 Jahren an, «überhaupt nicht» oder «eher weniger» selbstbestimmt handeln und entscheiden zu können. Dabei zeigen aktuelle Studien, dass selbstständiges Wohnen in einer eigenen Wohnung insbesondere für jüngere Menschen mit einer leichten bis mittleren Beeinträchtigung sehr wohl infrage kommt.

Eine der Haupterkenntnisse der Studie diesbezüglich: Junge Menschen möchten in Zukunft autonomer leben. «Sie möchten mitbestimmen, wo, wie und mit wem sie wohnen», so Stalder.

Zudem wünschen sich rund ein Drittel der Befragten über alle Altersklassen hinweg mehr soziale Kontakte. «Sie möchten in einem Dorf oder einem Quartier integriert sein», so der Studienleiter. Die Verankerung in der Gesellschaft ginge allerdings übers Wohnen hinaus: «Hier spielen auch Vereine eine wichtige Rolle.»

Hin zu direkten Gesprächen

Es ist eine Studie mit innovativem Charakter: Bisher gäbe es laut den Forschenden der Hochschule Luzern kaum Studien, die die Wohnbedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigung abbilde. Warum eigentlich nicht?

Das Behindertenwesen in der Schweiz befinde sich im Wandel, erklärt René Stalder gegenüber PilatusToday und Tele 1: «Seit die Schweiz 2014 die UNO Behindertenrechtskonvention ratifiziert hat, rücken Themen in den Fokus, die zuvor nicht gross diskutiert wurden. Die Stimmen der Menschen mit Beeinträchtigung werden stärker wahrgenommen. Wir entfernen uns von dem blossen Angebot-Bereitstellen hin zu einer Bedarfsorientierung, bei welchen die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigung in den Fokus rücken.»

Mehr Barrierefreiheit und Info-Angebote

Um den erforschten Wohnbedürfnissen beeinträchtigter Menschen nun auch nachzukommen, müsse an verschiedenen Schrauben gedreht werden: einerseits am Wohnungsmarkt im Kanton Luzern, andererseits am Info-Angebot für Betroffene: «Nebst mehr barrierefreiem und bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit Beeinträchtigung braucht es mehr Informations- und Beratungsangebote, welche sie in Anspruch nehmen können, wenn es um Fragen geht wie ‹Wie möchte ich wohnen?› oder ‹Wie kann ich meine Wohnsituation finanzieren?›. Da gibt es aktuell noch zu wenig», so Stalder.

veröffentlicht: 18. Oktober 2022 21:18
aktualisiert: 18. Oktober 2022 21:18
Quelle: PilatusToday

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