Kanti Alpenquai

Viel Kritik an späterem Schulstart – Schlaf-Experte befürwortet Entscheid

27.03.2024, 06:40 Uhr
· Online seit 27.03.2024, 06:09 Uhr
Schülerinnen und Schüler der Kanti Alpenquai in Luzern starten ab dem nächsten Schuljahr 20 Minuten später in den Tag. Auf den sozialen Medien erntete der Entscheid viel Kritik. Ganz anders sehen es Schlaf-Experten – der spätere Schulstart sei ein Schritt in die richtige Richtung.
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«Weicheier-Produktion», «einfach nur lächerlich», «Was passiert nur mit den Jugendlichen, wenn sie später mal früher aufstehen müssen…», «Verweichlichung der Jungen» oder «Dann ist ja am Morgen sogar noch etwas Schlaf möglich, nach dem Durch-Gamen in der Nacht»: Kommentare wie diese zeigen – nicht alle können den späteren Schulstart nachvollziehen. Diesen hat die Kantonsschule Alpenquai gemeinsam mit dem Verkehrsverbund Luzern (VVL) und der Stadt Luzern beschlossen.

Bei der Zurzach-Care-Klinik für Schlafmedizin in Luzern wird die Kritik allerdings nicht geteilt. «Ein späterer Schulbeginn macht aus schlafmedizinischer Sicht Sinn», sagt Sebastian Zaremba, Chefarzt für Schlafmedizin, im Gespräch mit PilatusToday und Tele 1.

Nur 10 Prozent der Schüler sind Morgen-Typen

Die Begründung: Zaremba erläutert beispielsweise eine Studie aus China mit rund 2500 bis 3000 Schülerinnen und Schülern. «Man hat herausgefunden, dass davon nur etwa zehn Prozent Morgen-Typen sind.» Der viel grössere Teil spalte sich auf in Typen, die am Mittag oder am Abend am leistungsfähigsten seien.

Diese Befunde würden unterstreichen, dass Kinder und Jugendliche morgens bedeutend länger schlafen sollten, als es ihnen zugestanden wird. «Wenn die Schule also sehr früh beginnt, müssen sich viele Schülerinnen und Schüler aus dem Bett quälen, die geistig und körperlich am Nachmittag viel fitter wären.»

Schulstart dürfte noch später als 08.20 Uhr sein

Aus schlafmedizinischer Sicht könnte es sogar sinnvoll sein, den Schulstart noch später in den späten Vormittag zu verschieben. «Es wäre sicherlich nicht verkehrt, den Start auf 9 Uhr zu legen oder den Lehrplan anzupassen, um die schwierigen Fächer eher am späten Vormittag zu unterrichten.»

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Alles auf den Nachmittag zu schieben, macht laut Sebastian Zaremba allerdings auch keinen Sinn. Dies hätte eine Studie aus den USA gezeigt. «Die Lernfähigkeit und das Erinnern von neuerlernter Information ist am Vormittag besser», erklärt der Schlafspezialist.

Zu wenig Aufmerksamkeit für Schlaf-Themen

Angesprochen auf die viele Kritik in den sozialen Medien meint Zaremba: «Grundsätzlich erhält der Schlaf insgesamt zu wenig Aufmerksamkeit.» Es entstehe häufig ein falscher Eindruck. Beispielsweise dann, wenn sich Manager brüsten, nur drei oder vier Stunden zu schlafen. «Der Schlaf hat eine wichtige Aufgabe. Insbesondere auch bei der Entwicklung des Gehirns und der Verknüpfung von Nervenzellen, das beim Erlernen von neuen Informationen hilft.»

Höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Das Aussortieren von Unwichtigem und das Festigen von wichtigen Informationen – es geschieht während des Schlafs. «Wenn man dem entwickelnden Gehirn eines Jugendlichen verbietet, den Schlaf zu holen, den er braucht, dann performt er schlechter.» Zudem habe man herausgefunden, dass Jugendliche und Erwachsene, die gegen ihren Biorhythmus arbeiten müssen, ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.

Der Schlafexperte ist sich also sicher: Insgesamt wird mit dem Entscheid der Kanti Alpenquai, die Schule ab nächstem Sommer später zu starten, die physische und psychische Gesundheit der Schülerinnen und Schüler sicherlich gestärkt – auch langfristig. Unabhängig davon, was in den Kommentarspalten geschrieben wird.

veröffentlicht: 27. März 2024 06:09
aktualisiert: 27. März 2024 06:40
Quelle: PilatusToday

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