Wenn die Wohngruppe zur Quarantäne-Familie wird
Rund 240 Menschen mit geistiger, psychischer oder körperlicher Beeinträchtigung leben in einem der sechs Wohnhäuser der Stiftung Brändi. Dort sind sie in Wohngruppen mit unterschiedlich intensiven Begleitungen untergebracht.
Sie essen zusammen, teilen sich den Putzplan und schlafen Tür an Tür – fast wie eine Familie eben. Und als eine solche halten sie auch während der Coronakrise zusammen: Um die Risikopersonen zu schützen und die Einschleppung des Virus um jeden Preis zu verhindern, wurde jede einzelne Wohngruppe nach aussen hin isoliert. Seit Mitte März dürfen die Bewohner weder arbeiten, noch ihre Familien besuchen. Erlaubt sind noch «kurze Spaziergänge, jedoch im geschützten Umfeld und abseits von anderen Menschen», wie Matthias Moser von der Stiftung Brändi bestätigt.
Abholen für einen kleinen Spaziergang ist erlaubt
«Das ist schon schwierig als Familienangehörige», erzählt eine betroffene Mutter. Sie darf ihre Tochter zwar besuchen, aber nur ausserhalb des Gebäudes und mit ihr dort einen kleinen Spaziergang machen. Gespannt erwartet sie die von Seiten der Insititution angekündigten Lockerungen der Schutzmassnahmen per 11. Mai. «Wenn es länger ginge, würde ich das nicht mehr akzeptieren», so die Luzernerin. «Mir ist einfach wichtig, dass sie ihre Familie wieder besuchen darf.»
Ansonsten
habe sie aber Verständnis für die Massnahmen, die die Stiftung für den Schutz der Wohngruppen angeordnet hat. Sie hätte ihre Tochter
auch vorübergehend nach Hause nehmen können, denn Externe dürfen
normal weiterarbeiten. «Das wollte sie aber nicht, denn sie hat dort
ihren Rhythmus», so die Mutter.
Aufwendige Umstrukturierungen
Damit es den Bewohnern in diesen Wochen nicht allzu langweilig wird, hat die Stiftung die Betreuung mit zahlreichen Tagesaktivitäten ergänzt. «Die zusätzliche Zeit, die unser Betreuungspersonal mit unseren Bewohnenden verbringen kann, wird in vielen Fällen als sehr positiv und bereichernd empfunden», weiss Matthias Moser aus internen Feedbacks. So stünden zurzeit hauptsächlich Gespräche, Spiele, Spaziergänge in geschützter Umgebung, sowie Weiterbildungen und Arbeiten im Haushalt auf dem Tagesprogramm.
Durch die aufwendige Umstrukturierung habe es in Wohnhäusern wie auch Unternehmen Situationen mit knappem Personalbestand gegeben. «Unser Fachpersonal zeigt jedoch grosse Solidarität und hilft sich gegenseitig aus», so Moser. Ausserdem habe sich der Sonderstab rechtzeitig mit einem allfälligen Personalengpass auseinandergesetzt sowie kurzfristige Rekrutierungen in die Wege geleitet.
Gravierende finanzielle Konsequenzen
Doch wie schafft es die Stiftung, trotz fehlenden Einnahmequellen weiterhin die vollen Löhne zu zahlen? «Es ist aufgrund der Erfahrungen in den letzten sechs Wochen sicher, dass die finanziellen Konsequenzen der Coronakrise auch für die Stiftung Brändi gravierend sein werden», heisst es von der Kommunikationsstelle. Konkrete Folgen davon seien aber aufgrund der grossen Unsicherheit zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen.