Kesb machte Fehler

Nidwaldner Mädchen wird türkischem Sektenführer versprochen

03.09.2022, 13:42 Uhr
· Online seit 03.09.2022, 08:10 Uhr
Die Geschichte liest sich wie ein Krimi-Roman. Ein Mädchen aus dem Kanton Nidwalden soll an einen türkischen Sektenguru verkauft werden. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde griff zwar rechtzeitig ein – machte danach aber einen Fehler.
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Am 6. September findet in der Türkei einer der wohl grössten Berufungsprozesse der türkischen Justizgeschichte statt. Der 66-jährige Sektenführer Adnan Oktar steht vor Gericht und wehrt sich gegen eine tausendjährige Haftstrafe, zu der er von der Vorinstanz verurteilt wurde. Eine wichtige Zeugin vor Gericht: eine 19-jährige Nidwaldnerin.

Wie auf einer Viehschau begutachtet

Als zehnjährige wurde die junge Frau dem Sektenführer zur Heirat versprochen – von ihrer eigenen Mutter, wie die «Schweiz am Wochenende» berichtet. Damals lebten die beiden in Hergiswil im Kanton Nidwalden. Wie die Türkischstämmige gegenüber der Zeitung erzählt, wurde sie dem Sektenführer wie bei einer Viehschau präsentiert und dabei angefasst. Nach diesem Vorfall hatte sich das Mädchen einer Lehrerin anvertraut und Hilfe bekommen.

Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Nidwalden griff ein und ordnete eine Fremdplatzierung des Kindes an. Daraufhin lebte das Mädchen in verschiedenen Pflegefamilien und Institutionen.

In Sicherheit war sie damit aber nicht. Die heute 19-jährige Nidwaldnerin erhielt immer wieder bedrohliche Anrufe und SMS von Sektenmitgliedern. Im Zusammenhang mit dem nun laufenden Gerichtsverfahren gegen den Sektenführer Adnan Oktar machte die Kesb Nidwalden zudem einen gravierenden Fehler, wie Recherchen der Zeitung zeigen.

Die Behörde hatte einem Anwalt der Sekte, der von der Mutter beauftragt wurde, die Originalakten über die Kindheit der 19-Jährigen ausgehändigt. Mit diesen intimen Informationen wird die junge Frau nun unter Druck gesetzt und erpresst, damit sie von einer Gerichtsaussage absieht. Doch wie konnte das passieren?

Kesb geht nicht auf Fall ein

Auf Anfrage der «Schweiz am Wochenende» teilt die Kesb Nidwalden mit, sie nehme immer eine sorgfältige Prüfung für eine Akteneinsicht vor. Grundsätzlich habe aber jeder Beteiligte eines Falles Anrecht auf die Herausgabe der Dokumente. Auf den konkreten Fall geht die Behörde allerdings nicht ein.

Die junge Frau zog inzwischen von Hergiswil zurück in die Türkei. Dort wird sie im Monsterprozess gegen den Sektenführer aussagen, obwohl ihr davon abgeraten wurde. Gegenüber der Zeitung betont sie, dass sie mit ihrem Engagement anderen Mädchen helfen wolle, «damit sie nicht dasselbe erleben».

(red.)

veröffentlicht: 3. September 2022 08:10
aktualisiert: 3. September 2022 13:42
Quelle: PilatusToday

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