Soziale Kontakte

Büroflächen schrumpfen – Homeoffice-Überdruss nimmt zu

14.07.2023, 09:33 Uhr
· Online seit 13.07.2023, 07:19 Uhr
Die Schweizerische Post legt ihre Büroflächen zusammen. Auch andere Unternehmen wollen ihre Räume verkleinern. Derweil haben viele Mitarbeitende aber längst die Nase voll von Homeoffice.
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Der März 2020 läutete das Ende der traditionellen Arbeitsweise ein. Sämtliche Berufstätige, die ihren Job auch von zu Hause aus erledigen konnten, wechselten wegen der Pandemie ins Homeoffice. Das Modell hat sich bewährt – viele Homeoffice-Fans haben deshalb ihrem Arbeitsplatz im Büro Adieu gesagt. 88 Prozent der Büroangestellten wollen nicht mehr jeden Arbeitstag im Büro verbringen, wie eine Umfrage des Beratungsunternehmens Deloitte kürzlich zeigte.

Übrig geblieben sind viele leere Büroflächen – auch bei der Schweizerischen Post.

Nur noch halb so viele Plätze belegt

Im Durchschnitt waren seit dem Ende der Corona-Schutzmassnahmen zwischen Juni 2022 und Juni 2023 im Hauptsitz Wankdorf in Bern 26 Prozent der Arbeitsplätze vor Ort belegt. Zu Spitzenzeiten waren es 52 Prozent. Im Vergleich zum Jahr 2019 sind im Schnitt beinahe nur noch halb so viele Plätze besetzt und zu Spitzenzeiten rund 30 Prozent weniger.

Die Post zieht ihre Büroflächen deshalb bis Ende 2030 schrittweise in zwölf regionale Büro-Hubs zusammen, wie das Unternehmen an einem Mediengespräch am Mittwoch bekannt gab. «Das Ziel sind weniger, aber besser ausgelastete und attraktivere Bürostandorte», erklärte Nadia von Veltheim, Leiterin Post Immobilien.

Die Mitarbeitenden kämen nicht aus Gewohnheit zurück ins Büro, sondern, weil es gute Gründe geben müsse, sagte Valérie Schelker, Leiterin Personal bei der Post. Deshalb habe die Post die Bedürfnisse der Mitarbeitenden für das effiziente Arbeiten eruiert. In der Folge bietet die Post an den Büro-Hubs Teamzonen an, kleine Räume für vertrauliche Gespräche und Meetings, Zonen für stilles, konzentriertes Arbeiten, grosse Meetingräume sowie Begegnungszonen und Cafeterias für Gespräche.

«Empfinden Alltag im Homeoffice als trist»

Die Hälfte der internationalen Arbeitgeber will in den nächsten drei Jahren Büroflächen reduzieren. Dies ergab eine Umfrage des Immobilienberaters Knight Frank und des Gewerbeimmobilienunternehmens Cresa. Damit ist der alltägliche Austausch mit dem Team im Büro dem Untergang geweiht. Gleichzeitig sind Mitarbeitende deswegen des Homeoffice längst überdrüssig.

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Die Tage im Büro enden für diese Angestellten aber oft ernüchternd. So berichten sie, jeweils einsam an ihrem Platz zu sitzen, weil von den Kolleginnen und Kollegen niemand im Büro auftaucht. Arbeitspsychologin Anne-Laure Duc-Dorogi bestätigt das Phänomen. «Es gibt viele Leute, die den Alltag im Homeoffice als trist empfinden und sich bei der Arbeit vor Ort vergeblich auf Kontakte freuen.»

Angestellte sehen Sinn nicht mehr

Die Gesellschaft spricht laut Anne-Laure Duc-Dorogi zu wenig über die Nachteile des Homeoffice. «Es gibt Angestellte, die den Sinn ihrer Arbeit nicht mehr sehen, indem sie jeden Tag vor dem PC sitzen und mit dem Finger auf die Maus klicken.» Ein gutes Beispiel dafür sei ihre Tochter. Seit der Pandemie habe die Pharmafirma, in der sie gearbeitet habe, mehrheitlich auf Homeoffice umgestellt.

«Anfangs fand sie dies toll, aber mit der Zeit hielt sie die ständige Arbeit vor dem PC und die spärlichen direkten Kontakte nicht mehr aus», sagt Duc-Dorogi. Sie habe gekündigt und sich eine Auszeit genommen. Zurzeit mache sie eine Ausbildung, in der sie «mit der Natur und Menschen direkt in Kontakt» komme.

Die Arbeitspsychologin geht davon aus, dass die Arbeit im Homeoffice langfristig viele Angestellte demotiviert, weil sie sich einsam, immer weniger als Teil eines Teams fühlen und sich immer weniger mit dem Unternehmen identifizieren. «Es ist gut möglich, dass deshalb viele Angestellte in Bürojobs kündigen werden.»

«Es braucht einen optimalen Mix»

Zumindest der Schweizerischen Post bereiten solche Szenarien keine Bedenken. Valérie Schelker, Leiterin Personal bei der Post, bestätigt, dass auch bei der Post nicht alle Mitarbeitenden gleich gerne im Homeoffice arbeiten. «Wir sehen, dass es je nach Lebenslage Unterschiede gibt.» Es gebe Mitarbeitende, die wegen der Wohnsituation lieber im Büro arbeiteten oder weil sie zu Hause nicht ungestört arbeiten könnten.

Die Teams entschieden mit den Führungspersonen darüber, wie und wo sie am besten zusammenarbeiteten, sagt Schelker. «Es braucht einen optimalen Mix zwischen digitalem und physischem Austausch.» Die Teams stünden in der direkten Verantwortung, diesen Mix zu finden.

Die Arbeit im Büro bleibe zentral, streicht Valérie Schelker hervor. Angesprochen auf die Frage der Vereinsamung im Homeoffice antwortet sie: «Durch die Zusammenlegung und bereichsübergreifende Zusammenarbeit arbeiten automatisch mehr Leute auf einer Fläche zusammen, womit es zu mehr Begegnungen kommt.»

veröffentlicht: 13. Juli 2023 07:19
aktualisiert: 14. Juli 2023 09:33
Quelle: Today-Zentralredaktion

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