Schweizer Wanderboom

Fast 60 Menschen sterben in Schweizer Bergen – rund die Hälfte kommt aus dem Ausland

09.10.2023, 12:30 Uhr
· Online seit 09.10.2023, 10:46 Uhr
Das Wandern ist des Schweizer Lust. Immer mehr Menschen nutzen die Berglandschaft zum Wandern oder Bergsteigen. Der Wanderboom freut Bergbahnen und Sportartikelhandel. Die Kehrseite der Medaille ist eine steigende Zahl von Bergtoten. In der diesjährigen Saison von Mai bis September waren es 58.
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Das sind 58 Todesopfer zu viel, sagt Jean-Christophe Sauterel, Leiter Prävention und Kommunikation bei der Waadtländer Kantonspolizei zu der von der Nachrichtenagentur Keystone-SDA errechneten Zahl. Die Daten müssten in Zusammenhang mit dem besonders seit der Covid-19-Pandemie stark gestiegenen Attraktivität der Berggebiete gebracht werden.

Alexandre Briguet, Einsatzchef bei der Kantonalen Walliser Rettungsorganisation (KWRO) in Siders, verfügt über keine Zahlen zu den Personen, die in den Bergen Freizeitaktivitäten nachgehen. Aufgrund der Einsätze und Rückmeldungen seiner Organisation und ihrer Partner stellt er aber seit mehreren Jahren einen Anstieg fest. Die Jägerschaft, welche nicht auf «normalen» Wanderwegen unterwegs ist, berichte ihm von Begegnungen mit Wanderern und Wanderinnen auf abgelegenen Pfaden selbst beim Eindunkeln.

Auf abenteuerlichen Pfaden

Diese auch von den langen, heissen und trockenen Sommern beförderte Entwicklung schlägt sich in der Zunahme der Bergrettungen nieder. In dieser Saison zwischen Mai und September kamen gemäss dem Walliser Einsatzchef mehr als 300 Einsätze der KWRO zusammen.

Gemäss den Zahlen ereignete sich 2023 etwa die Hälfte der tödlichen Bergunfälle im Wallis. Das überrascht die Fachleute nicht. Immerhin sei der Kanton eine Wiege des Wanderns und des Alpinismus, bringt es der kantonale Rettungschef Briguet auf den Punkt.

Die fünf Menschen, die in den Bündner Alpen ums Leben kamen, erstaunen ihn hingegen. Er hätte im Wanderparadies Graubünden mehr Unfälle erwartet, sagt Briguet.

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Viele ältere Opfer

In der Sommersaison 2023 geschahen die tödlichen Unfälle mit 29 beim Wandern und 29 beim Bergsteigen je hälftig bei den beiden hauptsächlichen alpinen Freizeitaktivitäten auf. 39 der Opfer waren Männer und 19 Frauen. 22 waren unter 40 Jahre alt, dreizehn zwischen 40 und 59 sowie 20 über 60 Jahre. Von drei Opfern fehlen Altersangaben.

Das widerspiegelt die Rettungstätigkeit sowohl bezüglich der Aktivitäten als auch bei den Informationen über die Opfer, erklärt der Walliser Retter Briguet.

Der relativ hohe Anteil der Opfer über 60 Jahre befremdet hingegen den Waadtländer Präventionsexperten Jean-Christophe Sauterel. Er kann ihn sich nicht erklären, weil Ältere gemeinhin als vernünftiger gelten als jüngere Menschen.

Wie die Zahlen zeigen, waren 28 der Todesopfer nicht in der Schweiz wohnhaft. Die Mehrheit von ihnen waren Bergsteigerinnen und Bergsteiger. Briguet bezeichnet es als «eine echte Herausforderung, diese ausländischen Touristen zu erreichen». Sie würden nicht dieselben Medienkanäle benutzen.

«Manchmal ist es einfach nur Pech»

Meistens sind Stürze die Ursache für tödliche Bergunfälle. Manchmal ist dabei auch einfach Pech im Spiel, wie Briguet erklärt. Dann seien die Opfer zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.

In anderen Fällen aber führe eine Verkettung von nicht optimalen Umständen zu einer Situation, die sich nicht mehr bewältigen lasse. Darunter versteht Briguet eine Nachlässigkeit bei der Vorbereitung, das Überschätzen der eigenen Fähigkeiten, eine wenig benutzte Ausrüstung, einen zu späten Start zu einer Tour, ein nur halb aufgeladenes Mobiltelefon und weitere Faktoren.

Mut zum Umkehren

SAC-Ausbildungschef Sägesser empfiehlt vor einer Bergtour, sich einer objektiven Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten zu unterziehen. «Manchmal braucht es auch den Mut, umzukehren oder eine Wanderung abzubrechen, wenn man sich überanstrengt oder sich die Bedingungen verschlechtern», rät Sägesser. Die Gefahrenhinweise in den Schweizer Bergen hält er für sehr umfassend, klar und verständlich. Sie würden aber oft nicht gelesen oder ignoriert.

(sda/dak)

veröffentlicht: 9. Oktober 2023 10:46
aktualisiert: 9. Oktober 2023 12:30
Quelle: BärnToday

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