Schweiz

Neue Welle von Geldautomaten-Angriffen in der Schweiz

Sprengungen in Bern und Schwyz

Nach ruhiger Phase – Bankomat-Angriffe nehmen wieder zu

11.06.2024, 15:05 Uhr
· Online seit 11.06.2024, 09:38 Uhr
In der Nacht auf Montag sind in der Schweiz zwei Bankomaten gesprengt worden – in Jegenstorf und Küssnacht. Laut dem Bundesamt für Polizei fedpol, das die Angriffe auf Geldautomaten überwacht, haben die Attacken in letzter Zeit wieder zugenommen. Anfang 2024 war die Lage noch ruhig.
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Seit einigen Jahren beschäftigen Geldautomaten-Sprengungen ganz Europa – betroffen davon ist auch die Schweiz. 2022 gab es gar einen Rekord von Angriffen. In der Nacht auf Montag kam es nun zu neuen Sprengungen:

Zwischen 2 und 3 Uhr in der Früh griffen mutmasslich drei Personen die Filiale der Valiant-Bank in Jegenstorf an. Der Bankomat wurde vollständig zerstört, es entstand ein erheblicher Sachschaden am Gebäude.

Um 3.30 Uhr kam es in der Innerschweiz zu einem ähnlichen Überfall. Bislang unbekannte Personen sprengten bei der Avia-Tankstelle in Küssnacht am Rigi einen Geldautomaten und entwendeten Bargeld in bislang unklarer Höhe.

Wie viele Bankomaten wurden 2024 angegriffen? 

Seit dem 1. Januar 2024 verzeichnete die Bundespolizei fedpol 21 Angriffe auf Bankomaten in der Schweiz. 16 Mal benutzten die Täter Sprengstoff, bei vier weiteren Geldautomaten versuchten sie einen Angriff mit Werkzeugen und bei einem Überfall wurde der Automat herausgerissen. Bei 17 der 21 Angriffen entwendeten die Täter Geld, die anderen endeten als sogenannter «Versuch».

Die Bundespolizei übernimmt die Ermittlungen und ist federführend, wenn die Bankomaten mit Sprengstoff aufgebrochen werden. Ist Gas oder ein Brecheisen im Spiel oder werden die Automaten einfach abtransportiert, ermittelt die jeweilige Kantonspolizei.

Ist vor allem die Nordwestschweiz gefährdet? 

Die Karte zeigt, dass vor allem die Nordwestschweiz von Angriffen auf Bankomaten betroffen ist. Berina Repesa bestätigt: «Es ist so, dass das Grenzgebiet eher betroffen ist.» Das heisse aber nicht, dass Überfälle nicht auch in der Innerschweiz passieren. «Es ist ein gesamtschweizerisches Problem.»

Ist die Anzahl der Überfälle weiterhin rückläufig? 

Letztes Jahr passierten 32 Angriffe, wovon in 22 Fällen die Täter Sprengstoff nutzten. 2022 passierten 57 Überfälle auf Bankomaten – ein Rekord. Ob die Zahl auch 2024 weiterhin rückläufig ist, kann man nicht sagen – «es ist zu früh.»

«Die Zahl von letztem Jahr hat optimistisch gestimmt. In den letzten Wochen ist es nun vermehrt zu Angriffen gekommen», sagt die Mediensprecherin. Die Täter verüben Serienangriffe. Hinkomme, dass sich diese schnell anpassen: «Wenn die Täter in einer bestimmten Region mehrfach erfolglos sind, dann peilen sie relativ schnell eine andere Region an.»

Wieso wird dieses Jahr vermehrt mit Sprengstoff angegriffen? 

«Sprengstoff ist der effizienteste und gleichzeitig gefährlichste ‹Weg›, um an die Geldkassetten zu kommen – durchschnittlich dauert der Angriff zwischen vier und fünf Minuten», sagt Berina Repesa, Mediensprecherin der Bundespolizei fedpol, gegenüber der Today-Redaktion. Besonders gefährlich sei es, wenn der Automat in ein Wohnhaus eingebaut ist. Ebenso komme es vor, dass am Tatort nicht-explodierter Sprengstoff vorgefunden wird.

Grundsätzlich sei es aber so, dass die Täter-Gruppierungen auf unterschiedliche Art und Weise die Bankomaten angreifen.

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Sind bei Sprengungen bereits Person verletzt worden? 

Es habe bereits verletzte Personen gegeben, jedoch nicht durch Explosionen selbst, sagt Berina Repesa. Bei einem Angriff in Münchenstein wurde eine unbeteiligte Person gefesselt und geknebelt. Bei einem anderen Fall lief eine Person beim Bankomaten vorbei und wurde durch die Sprengkraft auf den Boden geschleudert.

«Eine schwer verletzte Person gab es noch nicht – das kann aber noch passieren», so die Mediensprecherin weiter.

Wie gut sind die Täter organisiert? 

«Hier sind nicht Kleinkriminelle am Werk. Hinter den Angriffen steht ein Netzwerk, jeder hat seine Rolle», erklärt Mediensprecherin Berina Repesa. Meistens würden die Angriffe von drei bis vier Personen ausgeführt. Andere besorgen den Sprengstoff oder organisieren das Fluchtfahrzeug. Wieder andere Täter kundschaften den Ort aus.

«Wir beobachten, dass gewisse Täter mit E-Scooter oder E-Motorbikes unterwegs sind. Wir vermuten, dass sich die Täter Fluchtwege aussuchen, die einzig auf diese Weise begehbar sind», so Berina Repesa weiter. Damit erschweren sie die polizeiliche Verfolgung.

Das fedpol kann die verschiedenen Angriffsarten auch bestimmten Täterkonstellationen zuweisen: Angriffe mit Sprengstoff würden mehrheitlich durch rumänische und holländische Täter begangen – dazu kämen vereinzelt Nachahmungstäter. Werkzeugangriffe würden eher von Tätern aus dem albanisch-sprachigen Raum verübt und Sprengungen mit Gas vor allem von serbischen und rumänischen Tätergruppen.

Inwiefern schützen sich die Banken vor den Überfällen? 

«Das fedpol verfolgt eine dreiteilige Strategie, das heisst Strafverfolgung, Kooperation, Prävention», sagt Berina Repesa. Dank Kooperation und Strafverfolgung könne Fedpol mit den verschiedenen Instanzen wie Staatsanwaltschaft und den Kantonen zusammen ermitteln und somit auch immer wieder Verhaftungen erzielen.

Die Banken haben in den letzten zwei Jahren an Sicherheitsmassnahmen aufgerüstet. «Jedoch gibt es nicht die eine Massnahme, die alle Bankomaten sicherer macht», so Mediensprecherin Berina Repesa. Es gebe verschiedene Faktoren, die Einfluss auf die Sicherheit der Bankomaten haben, etwa, wo er steht und wie er bereits geschützt ist.

In der Schweiz wird vermehrt auch auf das System «Farbpatronen» gesetzt: Wird ein Bankomat aufgebrochen, aktiviert sich ein System, welches die Banknoten mit einer Tinte markiert. Die Geldscheine werden dadurch wertlos. «Es muss nicht unbedingt der zielführendste Weg sein, jeden Automaten mit Farbpatronen auszustatten. Gefährdungsanalysen von den einzelnen Bankomaten können Klarheit schaffen, wie genau ein Bankomat besser geschützt werden kann.»

veröffentlicht: 11. Juni 2024 09:38
aktualisiert: 11. Juni 2024 15:05
Quelle: BärnToday

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