Reisen

Wegen Verspätung: SBB zahlt Passagierin Taxi an Ferienort

· Online seit 18.07.2023, 19:49 Uhr
Mit dem Zug in die Ferien in die Berge? Nichts wie los, sagte sich diese junge Frau. Doch dann verpasste sie wegen Verspätungen ihre letzte Verbindung an dem Tag – und kam dann überraschend ganz komfortabel an ihr Ziel.
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Lorena B. freute sich auf einige Tage in den Walliser Bergen. Das Wetter versprach viel Sonnenschein und hohe Temperaturen: grossartiges Wanderwetter.

Zusammen mit ihrem Freund wollte sie von Zürich den Zug über Bern nach Visp nehmen und von da aus mit der Matterhorn-Gotthardbahn ins Mattertal.

Es sollte nicht so sein

Doch leider kam es anders: «Bereits als ich in Zürich in den Zug stieg, zeigte mir die SBB-App einige Minuten Verspätung an.» Lorena wurde nervös: Denn in Bern blieben ihr nur knapp zehn Minuten, um auf die Anschlussverbindung durch den Lötschbergtunnel ins Oberwallis zu wechseln.

Als eine Zugbegleiterin ihre Tickets kontrollierte, fragte Lorena sie, wie es mit den Anschlussverbindungen in Bern aussah. Die SBB-Mitarbeiterin reagierte abweisend. «Sie sagte mir nur, dass sie später durch die Sprechanlage über die Verspätung informieren werde.» Dies geschah dann auch.

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Doch die Verspätung wurde immer grösser: Schliesslich waren es 15 Minuten. Als Grund wurde ein Defekt am Zug angegeben. «Doch der Zug fuhr ja, ich weiss nicht, was an dem Zug nicht hätte funktionieren sollen.» Lorena war genervt.

Sie kamen nicht mehr weiter

Denn die angepeilte Verbindung war die letzte mögliche in das abgelegene Bergdorf. Da sie nun ihre Verbindung in Bern verpasste, wusste sie nicht, wie sie an ihre Destination kommen sollte. «Wir überlegten uns noch, ob wir in Bern einfach wieder in den Zug zurück nach Zürich steigen sollen. Denn wir hatten wenig Lust, irgendwo zu stranden und dann nicht weiterzukommen», so Lorena.

Schliesslich entschieden sie sich doch den nächsten Zug Richtung Visp abzuwarten. Im Zug fragten sie den nächsten Zugbegleiter um Hilfe. Dieser sagte ihnen, sie sollen kurz warten, er müsse dies abklären.

«Klar steigen die Billetpreise jedes Jahr»

Lorena: «Eine gute Viertelstunde später kam er zurück. Und was waren wir erstaunt: Er hatte uns ein Taxi in Visp organisiert.» Der Zugbegleiter drückte den zwei Unterländern einen Gutschein für die Taxifahrt aus und notierte darauf den Namen des Taxiunternehmens.

Die Zürcherin freute sich über die unkomplizierte Lösung ihres Problems. Doch war sie auch etwas erstaunt: Denn die Taxifahrerin erzählte ihr, dass dies oft passiere. Lorena wandte sich daraufhin an ZüriToday und wollte wissen, was es damit genau auf sich hat: «Es kann doch nicht sein, dass die SBB für jede Verspätung am Ende des Tages den Leuten ein Taxi oder gar eine Übernachtung bezahlen muss. Klar steigen die Billetpreise jedes Jahr.»

Quelle: TeleZüri / Michael Lerch / CH Media / Video Unit / Jeannine Merki

Nur gut 7 Prozent der Züge sind sehr unpünktlich

Ganz so oft verspätet sich die SBB zum Glück nicht: Laut dem «Beobachter» kamen 2022 92,5 Prozent der Züge mit weniger als drei Minuten Verspätung an. Die Deutsche Bahn kann davon nur träumen: Nur 63,6 Prozent der Züge waren weniger als fünf Minuten verspätet.

Seit 2021 ist klar festgelegt, wann und wie viel Transportunternehmen in der Schweiz Entschädigungen bei Verspätung oder Ausfall zahlen müssen. Grundlage ist eine Bestimmung im Personenbeförderungsgesetz, die für alle öffentlichen Verkehrsmittel gilt. Bisher wurden 370'000 Franken ausbezahlt.

Gegenüber der Today-Redaktion wollte die SBB keine Stellung zur aktuellen Höhe der Entschädigungen oder den Verspätungen nehmen. Sie verwies betreffend Fahrgastrechten an die Branchenorganisation Swiss Pass.

SBB müsste sogar Hotelübernachtung bezahlen

Eine Sprecherin der Organisation erklärt, der erläuterte Fall betreffe die Tarifbestimmung T600. Diese besagt, sofern das Reiseziel mit dem letzten im Fahrplan vorgesehenen Anschluss nicht mehr erreichbar ist, werden der oder dem Reisenden die Kosten für ein einmaliges Übernachten in einem Hotel der Mittelklasse vergütet – Zimmer und Frühstück.

«Ist anstelle einer Übernachtung beispielsweise die Weiterfahrt mit einem Taxi zu bevorzugen und bleiben die Taxispesen im Rahmen der Kosten für Übernachtung und Frühstück, so werden sie Taxikosten übernommen oder rückerstattet», so die Sprecherin.

Doch wäre es nicht sinnvoller, die Reisenden zusammen an den Zielort zu bringen? Auch darauf hat die Sprecherin eine Antwort: «Sind mehrere Reisende betroffen, so werden auch Minibusse oder Sammeltaxis organisiert.» Das zuständige Transportunternehmen sei bestrebt, für die Reisenden gemäss den Tarifbestimmungen eine gute Lösung zu finden.

Höhere Gewalt zählt nicht

Aber: Falls das Transportunternehmen für die Verspätung nicht selbst verantwortlich ist, zum Beispiel durch Unwetter oder andere höhere Gewalt, ist es nicht verpflichtet, die Kosten für Übernachtung und Frühstück zu vergüten.

Dies kümmerte Lorena B. und ihren Freund nicht mehr: Nach der Taxifahrt kamen sie endlich an ihrem Ziel an und genossen die folgenden Tage beim Wandern.

veröffentlicht: 18. Juli 2023 19:49
aktualisiert: 18. Juli 2023 19:49
Quelle: Today-Zentralredaktion

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