Gleichberechtigung

Wehrpflicht als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber den Mitmenschen

27.04.2022, 13:08 Uhr
· Online seit 27.04.2022, 12:15 Uhr
Beim Thema Gleichberechtigung nähert sich die Diskussion früher oder später immer auch der Wehrpflicht. Auch der Bundesrat prüft die Frage, ob auch Frauen den Militärdienst absolvieren sollen. Ob man nun Pro oder Contra Militär ist – als in der Schweiz lebende Person sollte man sich für das eigene Land einsetzen und helfen, wo man kann.
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Seit Jahren spricht der Bund von Personalmangel in der Armee und auch im Zivildienst. Dem kann ein Ende gesetzt werden. Ich sehe keinen Grund, warum nicht jegliche Geschlechter wehrpflichtig sein sollten. Ich selbst wiege rund 60 Kilogramm, bin Asthmatiker und von Grund auf unsportlich. Schätzungsweise sind rund 80 Prozent aller Männer und mit Sicherheit auch ähnlich viele Frauen eher geeignet für einen Militärdienst als ich. Trotzdem erhielt ich an der Rekrutierung den Stempel «tauglich».

Dazu sei gesagt: Die zwei Tage der Rekrutierung waren auch schon die einzigen Tage Militärdienst, die ich geleistet habe. Schon früh war mir klar, dass mir der Militärdienst gegen den Strich geht und ich kein Interesse habe, mit einem Gewehr durch den Dreck zu robben und mich von höherrangigen Personen anschreien und rumkommandieren zu lassen. Also habe ich mich für den Zivildienst entschieden.

Warum sollen das nicht auch Frauen können? Es wird niemand dazu gezwungen, sich in den grünen Tarnanzug zu schmeissen und 18 Wochen lang Chili con Carne aus der Dose und die trockensten Guetzli, die die Welt je gesehen hat, in sich reinzuschaufeln. In diesem Sinne lohnt es sich wohl hier nicht von Wehrpflicht, sondern von einer Dienstpflicht zu reden. Militär nein – sinnvolle Arbeit ja. Ich habe mit meiner Zeit etwas Sinnvolles gemacht. Im Altersheim habe ich betagte Menschen betreut, mit ihnen geredet, spaziert und Spiele gespielt.

Was man vom Bund immer wieder hört, habe ich am eigenen Leib erlebt. Leute wie mich gibt es zu wenige. Das hat nichts mit Eigenlob oder Selbstüberschätzung zu tun, sondern mit empirischer Erfahrung. Diplomiertes Pflegepersonal darf teilweise nicht einmal mit den Heimbewohnern spazieren gehen, da sie «zu teuer» dafür sind. Dazu war ich da. Diplomiertes Pflegepersonal hat keine Zeit, mit den Leuten zu jassen. Dazu war ich da. Das ist nicht mehr als ein schlechter Witz – leider aber den Tatsachen entsprechend. Man mag Spaziergänge und Jassrunden für irrelevant halten, aber eines kann ich sagen: Die alten Menschen haben meine Arbeit geschätzt und waren enttäuscht, wenn ich keine Zeit hatte.

Wehrpflicht heisst also nicht zwingend Militärdienst. Für mich war es eine Möglichkeit, für ältere Menschen da zu sein. Menschen, die unser Land zu dem gemacht haben, was es heute ist. Sie zu waschen und mit ihnen zu jassen ist wohl das Mindeste, was ein Mensch als Dankbarkeit erweisen kann. Egal welches Geschlecht, diese Möglichkeit muss für alle gegeben sein. Wehrpflicht für Frauen – das muss nicht sein. Aber über eine Dienstpflicht für alle Geschlechter sollten wir längst nicht mehr diskutieren müssen. Das ist schon längst überfällig.

veröffentlicht: 27. April 2022 12:15
aktualisiert: 27. April 2022 13:08
Quelle: PilatusToday

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