Kanton Luzern

Kirchen laufen die Leute davon – Werbeoffensive soll Exodus stoppen

28.10.2021, 17:01 Uhr
· Online seit 28.10.2021, 10:55 Uhr
Immer mehr Leute treten aus der Kirche aus, um Kirchensteuern zu sparen. Was gut fürs eigene Portemonnaie ist, ist schlecht für die Kirche. Denn sie unterstützt mit diesem Geld soziale Projekte. Die Katholische Kirche im Kanton Luzern hat deshalb eine grossangelegte Werbekampagne gestartet.
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Ob im Bus, auf Onlineportalen oder auf der Videoplattform YouTube: Die Werbeanzeigen der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern sind derzeit kaum zu übersehen. Seit Montag wird die Plattform «Kirchensteuern sei Dank» im Raum Luzern grossflächig beworben.

Der Grund für die Werbeoffensive ist schnell gefunden: Die katholische Kirche hat mit massiven Kirchenaustritten zu kämpfen. Allein im vergangenen Jahr haben ihr im Kanton Luzern gut 3'700 Personen den Rücken gekehrt. Das sind so viele wie noch nie.

Bereits seit Jahren treten immer mehr Personen aus der Kirche aus. Neu ist jedoch das Ausmass: Waren es 2010 noch knapp 2'000 Personen pro Jahr, so sind es mittlerweile fast doppelt so viele. Die meisten betreffen Personen, die jünger als 40 Jahre alt sind.

Einsatz der Gelder unklar

«Viele Leute wissen nicht, für was sie Kirchensteuern bezahlen», sagt Sandra Huber, Synodalrätin der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern, die für das Projekt «Kirchensteuern sei Dank» verantwortlich ist. Weil sie durch einen Kirchenaustritt etwas Geld sparen können, würden sich viele Leute für diesen Schritt entscheiden.

Huber macht nicht nur finanzielle Aspekte für den Exodus in der katholischen Kirche verantwortlich. «Die Kirche hat nicht mehr eine so hohe Bedeutung wie früher.» Regelmässige Gottesdienstbesuche am Sonntag seien schon fast zur Ausnahme geworden. Zudem seien viele Leute nicht mehr einverstanden damit, was die Kirche in Rom macht.

Kampagne soll aufklären

Um der Bevölkerung zu zeigen, für was das Geld aus der Kirchensteuer in Luzern verwendet wird, wurde nun die Werbeoffensive gestartet. Hierfür wurde bereits im vergangenen Frühling eine Website aufgeschaltet. Auf einer interaktiven Karte kann man auf spielerische Art entdecken, wohin die Gelder der Kirche fliessen.

Quelle: tele1

Mit der Kirchensteuer werden unter anderem der Kinder- und Jugendverband Jungwacht Blauring oder der Verein Caritas, die Gassenarbeit Luzern oder Care-Teams, die nach schweren Unfällen oder Schicksalsschlägen eingesetzt werden, unterstützt. Treten immer mehr Leute aus der Kirche aus, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die katholische Kirche diese Unterstützungsgelder früher oder später kürzen müsse, betont Huber.

150'000 Franken für Werbeoffensive

Dass es bald dazu kommt, ist eher unwahrscheinlich. Finanzielle Probleme hat die katholische Kirche in Luzern derzeit keine. Das vergangene Geschäftsjahr wurde gar mit einem Gewinn von fast 80'000 Franken abgeschlossen. Doch Sandra Huber warnt: «Geht die Entwicklung mit den Kirchenaustritten so weiter und sollte sich die Wirtschaftslage verschlechtern, kann es in ein paar Jahren anders aussehen.»

Damit es nicht so weit kommt, greift die Kirche tief in die Tasche. Bisher hat sie 150'000 Franken für die Werbekampagne ausgegeben. Geld, das eigentlich genau so gut in die sozialen Projekte hätte investiert werden können, werden sich einige denken. Huber will diese Aussage nicht kommentarlos stehen lassen.

Es handle sich um ein langfristiges Ziel. «Wir wollen verhindern, dass wir irgendwann zu wenig Geld für die Projekte von Institutionen und Organisationen haben. Deshalb müssen wir jetzt die Öffentlichkeit informieren, wo überall Kirche drinsteckt, um künftig weiterhin Einnahmen durch die Kirchensteuern zu erhalten.» Sie hätten die aktuelle Kampagne bewusst so günstig wie möglich gestaltet und keine Promis, sondern ganz normale Bürger dafür gewählt.

Nutzen der Kampagne noch unklar

Die Werbekampagne der katholischen Kirche hat Anfang Woche begonnen und dauert je nach Form zwei bis vier Wochen. Ob sie den Exodus stoppen kann, wird sich frühestens Ende Jahr zeigen, wenn die neuesten Zahlen zu den Kirchenaustritten bekannt werden. Sandra Huber hat den Glauben noch nicht aufgegeben und hofft auf einen positiven Effekt der Kampagne «Kirchensteuern sei Dank».

Sie ist jedoch auch realistisch genug: «Wenn jemand aus der Kirche austreten will, tritt er aus – Kampagne hin oder her.» Sie hoffe aber, dass sich Austrittswillige dank der Kampagne zwei Mal überlegen, der Kirche den Rücken zu kehren. «Wenn durch die Kampagne nur schon eine einzige Person neu in die Kirche eintritt, wäre dies mein persönliches Highlight!»

veröffentlicht: 28. Oktober 2021 10:55
aktualisiert: 28. Oktober 2021 17:01
Quelle: PilatusToday

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