Whistleblower-Website

Luzerner Firmen zu Unrecht am Homeoffice-Pranger?

· Online seit 28.01.2021, 10:00 Uhr
Nicht jeder Arbeitnehmer kann im Homeoffice arbeiten trotz der vom Bund verordneter Pflicht. Einige Berufe lassen dies schlicht nicht zu. Wer aber denkt, dass sein Arbeitgeber zu Unrecht weiter auf Präsenz im Büro besteht, kann ihn auf einer neuen Website melden.
Anzeige

Auf der Homeoffice-Pranger Website, über die «20 Minuten» berichtete, sind bereits über ein Dutzend Unternehmen aufgelistet, die ihre Arbeitnehmer zu Unrecht nicht ins Homeoffice geschickt haben sollen. Zwei davon sind aus dem Kanton Luzern. Die anonymen Betreiber der Seite listen die Firmen auf, ohne vorgängige Abklärungen zu treffen, ob die Anschuldigungen zutreffen. Die Beschuldigten selbst halten nicht viel vom Homeoffice-Pranger und dementieren, dass ihre Mitarbeiter unfair behandelt würden.

«Keine Anfrage betreffend Homeoffice»

Eine der angeprangerten Luzerner Firmen ist die Abegglen-Pfister AG. Auf Nachfrage von PilatusToday und Tele 1 heisst es, man wurde von keinem Mitarbeiter für die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, angefragt. Weiter sei es so, dass dies aus technischen Gründen sowie Prozessen, die unmöglich ins Homeoffice verlagert werden könnten, auch keine Option sei.

Von der Website halte man nicht viel: «Jeder kann jeden anonym melden», meint Urs Leber, Geschäftsleiter von Abegglen-Pfister. Man sei nicht sicher, welches Ziel die Betreiber des Homeoffice-Prangers verfolgen, doch mit solchen Meldungen könne Schaden angerichtet werden.

Zuerst wird publiziert, erst dann überprüft

Um herauszufinden, was die Ersteller der Website angetrieben hat, haben wir bei ihnen nachgefragt. «Angesichts der aktuellen Pandemie steht die Gesundheit der Menschen an erster Stelle», heisst es. Es ginge ihnen aber auch um das Recht der Arbeitnehmenden. Weiter würde man das Homeoffice als ein Mittel sehen, Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Dafür sei ein Kulturwandel nötig. Diesen wollten sie jetzt anstossen.

Auf die Liste kommen Unternehmen, die über das Kontaktformular angeprangert werden. Eine initiale Überprüfung gibt es nicht, «Die eingegebene Meldung erscheint nach dem Absenden des Formulars direkt in der publizierten Liste.» Erst im Anschluss werde anhand eigener Recherchen geprüft, ob die Beschuldigten überhaupt die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice haben. In einem weiteren Schritt schreibe man die Unternehmen an und bitte um eine Prüfung der Richtigkeit und Stellungnahme.

«Es gab noch keine Verzeigungen»

Für die Kontrollen der Betriebe in Luzern ist die Kantonale Industrie- und Gewerbeaufsicht KIGA von WAS wira Luzern zuständig (PilatusToday berichtete). Dort seien bereits rund drei Dutzend Meldungen von Arbeitnehmenden eingegangen, wie Martin Bucherer, Leiter WAS wira Luzern, auf Anfrage von PilatusToday und Tele 1 sagt. Einen Teil der Anfragen habe man bereits am Telefon durch persönliche Beratung erledigen können.

Dieses Vorgehen sei auch der richtige Weg, denn: «Jemanden an den Pranger zu stellen, ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll und löst möglicherweise die bestehenden Probleme nicht», so Bucherer. Es werde dringend empfohlen, dass Arbeitnehmende bei Unklarheiten zur Homeoffice-Pflicht mit der KIGA Kontakt aufnehmen soll. Bis jetzt stelle man fest, dass die Arbeitgeber sich gut an die Homeoffice-Pflicht und Schutzmassnahmen halten. Sie seien daran interessiert, dass ihre Arbeitnehmenden geschützt und somit gesund bleiben. Verzeigungen habe es im Kanton Luzern noch keine gegeben.

Zu den Inhalten der Pranger-Webseite und den darin erwähnten Firmen wolle man keine Stellung nehmen.

«Alle Agenturleiter/innen werden nochmals sensibilisiert»

Der CSS Versicherung, dem zweiten Unternehmen aus Luzern auf der Pranger-Liste, sei es ein grosses Anliegen, dass die Homeoffice-Pflicht an sämtlichen Standorten ernst genommen und umgesetzt wird, so Mediensprecherin Karin Müller. Die CSS werde deshalb ihre eigenen Überprüfungen intensivieren.

Wie auch bei anderen Krankenversicherern habe es in den letzten Wochen bei der CSS mehrere behördliche Kontrollen zur Homeoffice-Pflicht in den Agenturen gegeben, erklärt Karin Müller. Träten dort Beanstandungen auf, würde man entsprechende Massnahmen konsequent umsetzen. «Bei den bisher durchgeführten Kontrollen kam es lediglich in einem Fall zu einer Beanstandung», so Müller. Im Sinne des Service-Public-Auftrages blieben die CSS-Agenturen weiterhin geöffnet, dies jedoch mit einem Minimalbestand an Mitarbeitenden.

«Die meisten antworten nicht auf unser Schreiben»

Dass die Unternehmen direkt und ohne vorgängige Kontrolle auf der Website aufgelistet werden, liegt laut den Betreibern des Online-Prangers daran, dass die meisten gar nicht auf ihr Schreiben antworten. «Unser Plan war es zuerst, die Firmen vorgängig zu kontaktieren und sie erst nach einer ersten Rückmeldung zu listen. Die meisten Firmen antworten jedoch gar nicht auf unser Schreiben, weshalb wir uns entschieden haben, alle Meldungen direkt zu publizieren.» Dies würde auch den Druck zusätzlich erhöhen. Um wieder von der Liste genommen zu werden, müsse eine glaubhafte Begründung geliefert werden.

(mda)

veröffentlicht: 28. Januar 2021 10:00
aktualisiert: 28. Januar 2021 10:00
Quelle: PilatusToday

Anzeige
Anzeige
redaktion@pilatustoday.ch