Anfechtungen

Mieterhöhung: Treiben Vermieter ein unsauberes Spiel?

· Online seit 06.07.2023, 11:03 Uhr
Seit der Erhöhung des Referenzzinssatzes können Mieten um bis zu fünf Prozent steigen. Ist die Mieterhöhung nicht angebracht, kann man den neuen Mietzins anfechten. Das machen jetzt viele Mieter. Aber sind wirklich so viele Mieterhöhungen ungerechtfertigt?
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Seit der Erhöhung des Referenzzinssatzes – der ersten seit 2008 – am Anfang des Monats Juni haben viele Mieterinnen und Mieter Post gekriegt. Inhalt dieser Briefe: eine empfindliche Mieterhöhung. Denn die Vermieter können den gestiegenen Referenzzinssatz den Mietern weitergeben und ihnen zugleich auch einen Teuerungsausgleich berechnen. Experten gehen davon aus, dass viele Mieten um bis zu fünf Prozent steigen werden. Bei einer Miete von 2000 Franken sind also auf einmal 2100 Franken fällig.

Das lassen sich einige Mieterinnen und Mieter nicht gefallen. Bei Verdacht auf ungerechtfertigte Mietzinserhöhung kann der neue Mietzins nämlich innert 30 Tagen bei einer Schlichtungsstelle angefochten werden. Wenn der Brief mit der Mieterhöhung direkt zu Beginn des Monats Juni in den Haushalt flatterte, ist die Frist jetzt um. Zeit, um bei den Schlichtungsbehörden nachzufragen. Haben mehr Mieterinnen und Mieter ihren Mietzins angefochten?

Ein Blick nach Luzern zeigt: Ja! Im vergangenen Jahr lag die Anzahl Fälle, die wegen Mietstreitigkeiten vor der kantonalen Schlichtungsbehörde landete, bei rund 750. Das sei zwar eine eher geringe Zahl, gibt Christian Renggli, Informationsbeauftragter der Luzerner Gerichte, zu. Aber dennoch sei sie im Rahmen.

Reaktionen zur Erhöhung des Referenzzinssatzes

Diese Zahl zeigt steil nach oben. «Die Fälle sind spürbar gestiegen», führt Renggli weiter aus. Seit Anfang Juni trafen bei der Schlichtungsbehörde 480 Fälle ein. Das sind fast zwei Drittel der Fälle des gesamten Vorjahres. Ein Blick über die Grenzen der Zentralschweiz hinaus zeigt dasselbe Bild. Im Kanton Zürich sind ebenfalls ausserordentlich viele Fälle eingetroffen.

Die ungerechtfertigten Mieterhöhungen

Wieso werden so viele Mietzinse angefochten? Die Vermieter haben das Recht, die Miete um bis zu fünf Prozent zu erhöhen. Dies unter der Voraussetzung, dass sie bei den vergangenen Senkungen des Referenzzinssatzes jeweils die Miete nach unten anpassten. Einige Vermieter jedoch erhöhen die Miete jetzt und schlagen teilweise ungerechtfertigte Beträge darauf.

Rund die Hälfte der Mieterhöhungen sei zu hoch, sagt Andreas Marty, Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbands MV Schwyz gegenüber von PilatusToday und Tele 1. Dabei stützt er sich auf die Zahlen des nationalen Verbands. «Für viele Mieterinnen und Mieter sind die deutlichen Aufschläge ein Problem», meint Marty. Es würde sich daher in jedem Fall lohnen, zu überprüfen, ob die neue Miete gerechtfertigt erhöht wurde. Denn der Gang vor die Schlichtungsstelle sei kostenfrei und unkompliziert.

Roman Weber, Geschäftsführer des Hauseigentümerverband Schwyz, stützt die Schlichtungsstellen. Es sei gutes Recht der Mieter, einen ungerechtfertigten Mietzins anzufechten. Dass aber die Hälfte der Mietzinserhöhungen ungerechtfertigt seien, weist er entschieden zurück, denn «diese Aussage ist reine Stimmungsmacherei!» Für den Mieterverband sei jede Erhöhung ungerechtfertigt. Weber mahnt, dass gerade dieser Verband immer an vorderster Front eine Mietzinssenkung forderte, wenn der Referenzzinssatz gesunken ist. Deshalb sei jetzt auch eine Erhöhung gerechtfertigt.

Der Mietzinsrechner

Um zu prüfen, ob ein Gang vor die Schlichtungsstelle sinnvoll ist, hat der Mieterinnen- und Mieterverband einen Mietzinsrechner aufgeschaltet. Das kostenfreie Programm soll überprüfen, ob die Vermietenden bei der Mietzinserhöhung übertrieben haben. Wenn sie das laut dem Rechner gemacht haben, kann man ein vorausgefülltes Formular herunterladen, das dann direkt an die Schlichtungsstelle des jeweiligen Kantons gesendet werden kann. Auch der Hauseigentümerverband HEV hat einen ähnlichen Rechner.

Ein auf den ersten Blick nützliches Werkzeug. Wie jetzt aber die «Handelszeitung» aufgedeckt hat, ein nicht ganz fehlerfreies: Der Mietzinsrechner des Mieterinnen- und Mieterverband rechne falsch. Bei einem Test der Zeitung seien mehrmals falsche Resultate herausgekommen. Resultate, die zur Folge hatten, dass die Miete ungerechtfertigt erhöht wurde. Der Verband spricht zwar von Einzelfällen, für die «Handelszeitung» aber ist klar, dass deshalb mehrere Hundert Mieterinnen und Mieter irrtümlicherweise vor die Schlichtungsstelle gehen würden.

Bis die Schlichtungsstelle eine Einigung erreicht, kann es schnell mehrere Monate dauern. Denn zuerst muss die Stelle sowohl bei Mieter als auch Vermieter Unterlagen einfordern und überprüfen. Erst in einem zweiten Schritt dann findet eine Schlichtungsverhandlung statt. Dabei werden beide Parteien angehört, mit dem Ziel, einen Vergleich zu erreichen. Momentan jedenfalls mahlen die Mühlen eher noch langsamer als sonst. Denn viele Schlichtungsstellen sind mit der Flut der Anfechtungen überfordert.

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veröffentlicht: 6. Juli 2023 11:03
aktualisiert: 6. Juli 2023 11:03
Quelle: PilatusToday

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redaktion@pilatustoday.ch