«Wim Hof»-Methode

Baden im Winter: ein Experiment im Vierwaldstättersee

· Online seit 31.01.2021, 06:24 Uhr
Der niederländische Extremsportler Wim Hof hat aus seiner Fähigkeit, extreme Kälte zu ertragen, ein Business gemacht. Er gibt Workshops im Eisbaden und bildet Instruktoren aus. Der Luzerner Beat Brun ist einer von ihnen und lud mich zum Winterbaden im Vierwaldstättersee ein.
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Mittwoch um 6.30 Uhr, die Temperatur ist etwas über null Grad. Als ich am dunklen Nationalquai eintreffe, weiss ich gar nicht so recht, nach wem ich suche. Am Wasser bemerke ich einen Mann und eine Frau, die sich angeregt auf Englisch unterhalten. Ob sie auch fürs kalte Wasser da sind, frage ich. Sie sind, zumindest die junge Frau. Er mache nur die Atemübungen, sagt der Engländer. Heute sei der letzte Tag seiner zehntägigen Fastenkur, da tue ihm die Kälte nicht so gut, sagt er und lacht. Noch bevor ich fragen kann, warum man zehn Tage aufs Essen verzichtet, kommt Beat in kurzen Hosen angejoggt.

Kurze Vorstellung, dann gehts los. Zu viert sitzen oder liegen wir auf dem Steinboden und es wird geatmet. 30 Mal tief ein und aus. Luft anhalten und wieder von vorne, um den Körper anzuregen. Nach drei Runden Atmen stehe ich bereits in Badehosen am eiskalten See und zweifle als Warmduscher und «Unterliebli»-Träger an meiner Berufswahl. Bevor es aber ins Wasser geht, bewegen wir uns noch ein bisschen. Ab in die Hocke und mit den Armen nach links und rechts schlagen, das bringt den Körper auf Touren, sagt Beat und gibt den Rhythmus vor. «Huh-Hah», grunzen alle. Mein Körper fühlt sich überhaupt noch nicht «auf Touren». «Huh-Hah», grunze ich mit, kann ja nicht schaden. «Versuch ruhig zu atmen, wenn du eintauchst», gibt mir Beat noch mit auf den Weg, dann sind wir im Wasser.

5 Minuten Nadelstiche

Das Wasser fühlt sich an wie Tausend Nadelstiche, als ich in einer Bewegung bis zu den Schultern eintauche. Ich versuche ruhig zu bleiben, während meine Lunge zur Schnappatmung ansetzt und nach einer Weile atme ich ruhig ein und aus. «One minute», ruft es vom Quai aus.

Wenn ich mich nicht bewege, spüre ich jetzt fast keine Kälte, nur die Hände sind arschkalt. «Two minutes!» Jetzt geniesse ich einfach die Stille und die Dunkelheit im See und meditiere etwas vor mich hin. Kaffee werde ich heute keinen brauchen. Ich fühle mich hyperfokussiert. Wenn ich an etwas anderes denke als an meine Atmung, kommt die Kälte wieder. Der Kopf lässt keine Gedanken zu. «Five minutes!» Schon vorbei?

Kurz abtrocknen, dann bewegen wir uns wieder, atmen tief ein und aus. Die Luft kommt mir vor wie Sommerluft. Nach etwas mehr als einer halben Stunde sind wir wieder warm angezogen und laufen in Richtung Bahnhof, wo ich Beat bei einem Tee ausfragen kann.

Vor drei Jahren erzählte ihm ein Freund von diesem 61-jährigen Holländer, der halbnackt Berge besteigt und stundenlang im Eis baden kann. Mit seiner Methode aus Kälte, Atemübungen und Bewegung könne das jeder schaffen und gesünder, achtsamer und glücklicher werden. Aus der «Wim Hof»-Methode ist ein Geschäftsmodell geworden und der «Iceman» aus den Niederlanden bildet Lehrer in der ganzen Welt mit teuren Kursen und Modulen aus. So wie der 36-jährige Beat, der eigentlich Unternehmensberater ist. In Kursen, Events und den «Morning Dips», die er zwei Mal wöchentlich in Luzern anbietet, möchte Beat die Menschen «zurück zur Natur» holen, wie er sagt. Was eigne sich da besser als der kalte Vierwaldstättersee an einem Januarmorgen? Im Sommer besucht Beat mit anderen Kältefans dafür die Schweizer Bergseen, die seien kalt genug. Und für den Fall habe er auch ein mobiles Eisbad zu Hause, erzählt er. Dabei seien die Atemübungen wichtiger als das kalte Wasser und Eis. «Kälte bedeutet für den Körper Stress. Ich zeige den Leuten, wie sie mit dem Stress umgehen können», sagt Beat. Das sei gut für Körper und Geist. «Strong, Happy, Healthy – stark, glücklich und gesund», lautet das Wim Hof Motto. Im Internet liest man von mehreren Menschen, die beim Praktizieren der Methode ertrunken sind. Wie gesund ist die Technik wirklich?

Wieso macht man sowas?

Beat versichert, dass die Wim Hof Methode, richtig angewendet und unter Aufsicht eines Coaches, sehr sicher sei. Es könne vorkommen, dass man Kopfschmerzen erlebt. «Ein paar Schüler kamen schon mal an die Grenze der Unterkühlung», so Beat. Auch er selbst sei bei einem Workshop, der vom Guru persönlich geleitet wurde, schon an seine Grenzen gekommen.

Dann ertönt eine Stimme aus den Lautsprechern am Bahnhof und kündigt Beats Zug an. Wir verabschieden uns und ich verspreche, nicht zum letzten Mal dabei gewesen zu sein. Die intensive Erfahrung und dieses Gefühl der totalen Konzentration haben etwas mit mir gemacht, auch wenn ich zurück im Auto froh bin, die Sitzheizung einzuschalten.

veröffentlicht: 31. Januar 2021 06:24
aktualisiert: 31. Januar 2021 06:24
Quelle: PilatusToday

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